Vielleicht lieber
morgen
Charlie ist ein introvertiertes Mauerblümchen, dessen erstes
Jahr in der High school beginnt. Dort lernt er neue Freunde kennen, verliebt
sich und hat seine erste Beziehung. Ein typischer Teenie-Film? Irgendwie schon.
Innerhalb des Genres macht der Film aber einige interessante Dinge.
Vorab sei gesagt, dieser Text ist aus einer Perspektive
geschrieben, die die literarische Vorlage des Films nicht kennt. Obschon das
Buch eine große Popularität genießt, dürfte es aber den meisten Filmzuschauern
ähnlich gehen. Sollte sich die Filmhandlung also in Stellen von der des Buches
unterscheiden, kann dies hier nicht berücksichtigt werden. Ein Vergleich ist
ohnehin nicht die Absicht dieses Posts.
Wie so viele Literaturverfilmungen kommt bei Vielleicht lieber morgen ein Voice-over
zum Einsatz. Hierdurch wird oft die Brücke geschlagen zwischen Buch und Film:
In der Vorlage gibt es einen Erzähler, der die Leser direkt anspricht und
erzählt, was passiert. In der Moderne wurde diese Rolle manchmal von einer
diegetischen Figur ausgeführt, was auch ein interessantes Erzählmittel ist. Im
Film hingegen werden Ereignisse präsentiert statt erzählt; so gibt es etwa in
David Bordwells Narrationsmodell für den fiktionalen Film keinen Erzähler.
Durch ein Voice-over hingegen wird im Film der Rezipient direkt angesprochen.
Hier gibt das Voice-over, gesprochen von Charlie, den Inhalt seiner Briefe an
seinen Freund wieder. Somit wird Charlies Entwicklung direkter vermittelt.
Während der Film also damit versucht, dem Buch zu folgen,
kann Stephen Chbosky im Film an anderen Stellen andere Dinge machen als in
seinem Roman. Grundsätzlich ist eines der neuen Mittel die Montage, die
stellenweise Detailaufnahmen mit Close-Ups aneinanderreiht, wodurch etwas
Kuleshov-artiges entsteht.
Der Unterschied zwischen dem russischen und amerikanischen
Kuleshoveffekt liegt dabei darin, dass es im Original keine „Reaktion“ im
klassischen Sinne gibt, während auch in Vielleicht
lieber morgen eine mimische Reaktion folgt.
Hier tendiert Hauptdarsteller Logan Lerman schon zum Method
acting bzw. Overacting, obschon dies womöglich auch im Sinne des gespielten
Charakters geschieht.
Einen Vorteil gegenüber dem Roman hat der Film dafür durch seine
audiovisuellen Mittel. Dies passt besonders zur Nutzung von Rockmusik, die die
implizite Dramaturgie dominiert. Im Tonfilm lassen sich Rocksongs besser
einbringen als im Roman, da diesem die akustische Ebene fehlt, die im Tonfilm
wiederum gegeben ist. Oft dient die Rockmusik Stimmungserzeugend und kann Dinge
ausdrücken, die im Roman hätten beschrieben werden müssen. Teilweise wird diese
oft diegetische Musik dann zu Bildern gespielt, wie den sich im Fahrtwind
streckenden Figuren, wodurch eine Stimmung impliziert wird, die nicht explizit
beschrieben werden kann. Die Nutzung der audiovisuellen Möglichkeiten ist daher
sinnvoll, dass sie nur in diesem Medium funktionieren kann.
Auch dramaturgisch macht der Film einiges richtig. Wie in
vielen Teenagerfilmen werden die Probleme des Erwachsenwerdens durch ein
außergewöhnliches Problem (eine schwere Krankheit, ein Trauma o.ä.) überhöht
und können so dramatisch zugespitzt werden. Hier wird zudem sinnvoll
fokalisiert, da der Auslöser des Traumas des Protagonisten erst angeteasert und
dann benannt wird, bevor wir später von einem noch viel weiter in der Kindheit
des Protagonisten zurückliegenden Ereignis erfahren. Oft werden Dinge auch nur
angedeutet oder einfach benannt, die im Roman hingegen ausführlicher
beschrieben worden sein könnten. Gerade weil der Regisseur auch der Autor der
literarischen Vorlage ist, wäre es interessant für eine Analyse, zu betrachten,
welches Verhältnis Buch und Film zueinander haben.
_____
JAH
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