Zeitzeugen im Fernsehen: Hitlers Helfer
Istor Knopp, Historiker, Fernsehmoderator, Provokateur |
Das Wort „Zeitzeuge“ ist uns allen bekannt, aber tauchte erst in den siebziger Jahren auf und wurde insbesondere im Folgejahrzehnt populär. Es beschreibt Personen, die vorzugsweise die NS-Geschichte, aber auch andere historische Ereignisse oder Phasen miterlebt haben und dadurch seit der Nachkriegszeit aus eigener Erfahrung über zeitgeschichtliche Themen berichten können, von denen sie persönlich und direkt betroffen waren. So waren viele Zeitzeugen Opfer des Nationalsozialismus, doch außer ihnen treten auch andere Personengruppen, wie z. B. frühere Widerständler, Alliierte oder NS-Funktionäre, als Zeitzeugen auf; außerdem können auch Nachkommen wichtiger Personen als sekundäre Zeitzeugen auftreten.
Anfangs übten sie eine kritische Funktion für das Geschichtsbild der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit aus, als sie individualisiert „Gegengeschichte“ zum gängigen Geschichtsnarrativ erzählten. So halfen sie bei der NS- und insbesondere Holocaustaufarbeitung, wodurch sie dafür sorgten, dass dieses Kapitel deutscher Geschichte aus Opferperspektive medial aufgegriffen wurde und das öffentliche Bild prägte. Dadurch blieb ihnen seither wiederum bloß eine affirmative Funktion, in denen das so konstruierte Geschichtsbild nur noch bestätigt wurde.
Zeitzeugen sind medial verfasst. Ihre Zeugenschaft wird in diversen Medien festgehalten, u. a. im Fernsehen. Dort traten Zeitzeugen erstmals in der Show „This is your life“ in Erscheinung, wurden beim Eichmann-Prozess in alle Welt übertragen und ab den achtziger Jahren in unter Leitung Guido Knopps entstandenen Dokumentationen im ZDF ausgestrahlt. Knopps dokumentarischen Formate der Redaktion für Zeitgeschichte erreichten nicht nur hohe Quoten zur Primetime, sondern ernteten auch harte Kritik. Diese gilt dabei nicht nur den Sendungen per se, sondern auch ihrem Umgang mit Zeitzeugen: Wulf Kansteiner erkennt „ein durchweg autoritäres Verhältnis zwischen Kommentar und Zeugenaussage. Der Sprecher machte die Kernaussagen, die der Zeuge dann bestätigte.“
Demnach kämen die Zeitzeugen in den Sendungen nur ihrer affirmativen Aufgabe nach. Die Frage, ob oder inwieweit dies stimmt, wird diesem Blogeintrag zugrunde liegen: Welche narrativen Funktionen haben die Zeitzeugen in den Knopp‘schen Geschichtsdokumentationen des ZDF Ende der neunziger Jahre? Um das zu untersuchen, werden wir uns an der zweiten Episode Mengele – Der Todesarzt der zweiten Staffel der Serie Hitlers Helfer orientieren. Sie bietet einerseits ein zu einem gewissen Grad austauschbares Beispiel, andererseits kommen in der Sendung von 1998, als sich das Geschichtsfernsehen als Primetime-Format etabliert hat, einige typische Narrative besonders anschaulich zum Vorschein.
Die Untersuchung der Dokumentationen ist
außerdem sinnvoll, weil sie laut Frank Bösch „vorzügliche Quellen für die
Geschichtskultur der Zeit“ bieten. Schließlich spielen Massenmedien nicht nur
eine tragende Rolle bei der Verbreitung eines im kollektiven Gedächtnis
festgehaltenen Geschichtsbildes, sondern konstruieren dieses auch mit. Deswegen
sind die Sendungen auch mit Blick auf ihr Geschichtsbild von historischem
Interesse. Doch nicht nur, was sie über Geschichte sagen, sondern auch wie,
bedarf einer genauen, medienwissenschaftlichen Untersuchung. Und diese folgt nun: