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Dienstag, 28. Februar 2023

Christoph waltzt ins Büro

 THE CONSULTANT

Schaut bestimmt nicht "The Consultant": Christoph Waltz aka Regus Patoff

In der Vergangenheit haben Amazon-Serien desöfteren ihre Serie mit Stars besetzt wie Jean-Claude van Damme oder Hugh Laurie. Doch die Probleme dieser Serien begonnen oft auf dem Papier und setzten sich dann in der Machart fort. Jetzt spielt Christoph Waltz in "The Consultant" einen Unternehmensberater mit dunklem Geheimnis, das die Hauptfiguren zu lüften versuchen. Damit ist auch schon fast alles über die Qualitäten und Probleme der Serie gesagt.

Was die Serie zusammenhält, ist Christoph Waltz und die von ihm gespielte Figur Regus Patoff. Doch ist er eine Zeit lang nicht in der Szene, fällt sofort auf, wie schwach die Figuren, Figurenzeichnung und -entwicklung in der gesamten Serie sind. Die Hauptfiguren sind Elaine, Assistentin des vorherigen Chefs, der von einem Kind erschossen wurde, und Craig, ein Programmierer, die beide den nächsten Karriereschritt wagen wollen; die wichtigeste Nebenfigur ist Pattie, Craigs eifersüchtige Verlobte.  Leider misslingt es den Machern der Serie, die Figuren sympathisch oder interessant zu gestalten, und das schlägt sich sowohl in ihren Beziehungen zueinander als auch in den Dialogen nieder. Dazu kommt, dass die Lebenswelt der Figuren wenig mit der Realität der meisten Leute gemein hat.

Zu einem späten Zeitpunkt in der Serie erfahren wir etwa, wie sich die Hauptfiguren Craig und Elaine erstmals kennengelernt haben. Elaine möchte direkt mit Craig schlafen. Warum? Das bleibt wohl das Geheimnis der Macher, denn es liegt sicher nicht an seinem Aussehen oder Charme oder Charakter. Die interessantesten Momente sind die, wenn Patoff andere Figuren korrumpiert, sodass Elaine etwa unmoralische Entscheidungen trifft, die ihre Karriere voranbringen.

Die Besetzung ist mit Ausnahme von Waltz entweder schwach oder wirkt zumindest durch die Drehbuchgestaltung so.  In einer Szene will Elaine intensiv und verführerisch wirken, doch hält sie keinen Blickkontakt, sodass die Szene schwächer wird, als sie wohl auf dem Papier war.

Auch narrativ ist die Serie nicht sonderlich beeindruckend. Viele Dinge werden verbal gesagt statt gezeigt, sodass sie komplett ihre intendierte Wirkung verlieren. An einer Stelle weist Elaine darauf hin, dass es Entlassungen und Kündigungen gab. Die Figuren, die gehen oder entlassen werden, sind dem Zuschauer aber komplett unbekannt. Warum sollten wir uns dafür interessieren, wenn es keine Wirkung auf die Handlung hat? An anderen Stellen werden Dinge auch einfach nur gesagt, um die Zuschauer über die Umstände der Gaming-Branche zu informieren, anstatt von der Figur und ihrer Situation motiviert zu sein.Die einzigen interessanten Momente in der Nutzung des Audiovisuellen sind, als Figuren frontal gefilmt werden, sodass sie direkt in die Kamera schauen, und als das Anspitzen von Bleistiften mit einem Ton ersetzt wird, der wie das Wetzen von Klingen klingt. Aber für jeden interessanten Moment gibt es auch gefühlt minutenlange Sequenzen, in denen Figuren dramatisch in die Leere starren, oder sogar lachhafte Momente, in denen etwa zum Penis einer Mamorstatue geschnitten wird.

Die dramaturgische Organisation des Materials, insbesondere der Figuren und ihres sozialen Umfelds, ist auch schwach. Statt in der ersten Folge die Nebenfiguren und Nebenhandlungen einzufügen, lässt sich die Serie bis zur letzten Folge Zeit damit. In Episode 3 kommt plötzlich eine romantische Nebenhandlung mit einer Figur auf, die danach nie wieder gezeigt wird. Wie die Figur heißt, weiß ich nicht, vielleicht wurde es auch nie erwähnt.

Das Verhalten der Figuren ist ein weiteres Problem. Oft verhalten sie sich dumm, damit das geschieht, was geschehen muss, um die Handlung wie von den Autoren gedacht fortzuführen. Wenn Personen verschwinden, die mit Patoff in Kontakt gekommen sind, rufen sie nicht die Polizei, sondern warten erst einmal ab. Wenn sie ein geheimes Zimmer erkunden, hinterlassen sie erst einmal einen unfreiwilligen Hinweis darauf, da gewesen zu sein. Wenn sie auf ihrem Laptop ein Programm offen haben, mit dem sie das gesamte Büro überwachen, lassen sie den Laptop natürlich für ein paar Stunden bei Patoff. Geht eine Figur auf eine Mission ins Ungewisse, stellt sie natürlich ihr Handy aus, um von den parallelen Entwicklungen abgeschnitten zu werden. Natürlich gibt die eifersüchtige Pattie, wenn das ihre einzige Charaktereigenschaft ist, sich sofort Patoff hin, sobald sie ohne Kontext ein Bild einer Überwachungskamera sieht, auf dem ihr Verlobter, der gerade in einer schwierigen Situation ist, Elaine an den Händen hält. Leute reden nicht darüber, was gerade vorgeht, das könnte sonst die meisten Probleme im Keim ersticken. Simple Ideen, wie z. B. eine verschwundene Figur zu orten, kommen erst dann, wenn das Drehbuch es erfordert. Selbst Patoff fängt irgendwann an, sich unlogisch zu verhalten, d. h. entgegen seiner eigentlichen Ziele, z. B., als er das geheime Zimmer nicht abschließt, nachdem er das Schloss ausgewechselt hat, sodass Elaine Zugang hat, als sie ihn am Ende braucht.

Es gibt natürlich auch einen Wendepunkt, dieser kommt in der 2. Hälfte der Serie, und er ist erwartungsgemäß lachhaft. Die Spieleentwicklungsfirma hat ein neues Spiel entwickelt, basierend auf einer Idee von Craig, dass Glasböden verschiedener Stärke ab einer zu hohen Belastung brechen, doch das Spiel hat ein Glitch in einem hohen Level, das verursacht, dass sich die Leute, die das Spiel spielen, aus Frust selbst verletzten.

Gegen Ende der Serie geht die Luft etwas aus. Wenn es darum geht, ein Geheimnis einer mysteriösen Figur zu lüften, droht man, Gefahr zu laufen, dass die Aufklärung des Geheimnisses dazu führt, dass man realisiert, dass alles gar nicht so schlimm ist, wie vielleicht anfangs befürchtet. Wäre die Serie ein Film, hätte sie das Problem und viele weitere Längen vermieden. Es wird eine Nebenhandlung eingeführt, in der Elaine einen Elefanten befreien will, doch das ist ein überraschend erleichterndes Abenteuer angesichts all dessen, was in der 1. Hälfte passiert war. Die ganze Episode wirkt, als ob sie sich nicht aus dem Fluss des bisher Gezeigten entwickelt, sie kommt plötzlich, wurde nicht vorbereitet, wirkt wie eine seltsame Ablenkung, ein Gimmick, das eingeführt wurde, um noch ein bisschen was für die letzten zwei Folgen zeigen zu können. Überdies wird für diesen Abschnitt noch eine vorher nie gezeigte Figur eingeführt, ein Ex-Freund von Elaine, der auch in den ersten Folgen hätte auftauchen können, und plötzlich wird auch eine Kollegin von Craig relevant, die seit der ersten Folge da war, aber plötzlich von einer Komparsin zu einer wichtigen Nebenfigur befördert wurde. Dieser Umgang mit Figuren ist erschreckend amateurhaft.

Kommt man am Ende an und erwartet, dass die Serie ihre ganzen losen Enden zusammenführt, alle offenen Fragen beantwortet, oder zumindest die wichtigsten, wird man enttäuscht. Stattdessen bekommt man einen computergenerierten Elafanten vorgesetzt. Die Auflösung (der "Showdown") ist genauso enttäuschend wie das Ende der "Entwicklung" aller Figuren - Elaine, die jetzt Chefin wird, Craig, der jetzt seine Verlobung mit Pattie auflöst, und Patoff, der am Ende einfach das gebäude verlässt.


Fazit

Vor etwas mehr als zehn Jahren beschrieb Christoph Waltz in einem Interview, wie unbefriedigend seine Situation in der deutschen Film-, Fernseh- und Theaterszene war, bis er von Quentin Tarantino als Hans Landa besetzt wurde und so daran erinnert wurde, warum er überhaupt Schauspieler geworden war. Es folgte ein Oscar als bester Nebendarsteller, einige spannende Rollen in FIlmen wie "Water for Elephants", "Carnage", und schließlich ein zweiter Oscar für "Django Unchained". Für eine Rolle war er die Idealbesetzung, für die andere richtete sich die Rolle ganz nach ihm. Jetzt, nach über zehn Jahren in Hollywood, kommt die Frage auf, ob seine Situation nicht dieselbe ist wie vor "Inglorious Basterds", nur an einem anderen Ort. 

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JH

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