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Sonntag, 10. März 2024

Amazon und die Basics

 

Fleming – The Man Who Would Be Bond

Ich habe 2021 die ersten fünf Minuten der Amazon-Originalserie Fleming geschaut. Damit habe ich 10 min kürzer durchgehalten, als bei The Night Manager. Warum habe ich danach ausgemacht? Warum gelingt es Amazon nicht, seine Eigenproduktionen so zu gestalten, dass ich sie länger, vielleicht sogar komplett, anschauen will? Eine detaillierte Betrachtung von Expositionsproblemen.

Die Serie beginnt mit Aufnahmen einer Frau im Bikini beim Tauchen, während generische Amazon-Originals-Musik spielt, die manchmal Andeutungen an das Bond-Thema macht. Nach einer Weile taucht ein Mann mit einer Harpune auf. Durch die Montage wird impliziert, dass er vielleicht hinter ihr her ist. Will er sie töten?

Meine Erwartung: Nein. Was passiert? Er schießt – und tötet einen Tintenfisch, als dieser die Frau angreifen wollte. Die Serie versucht also, durch den Schnitt Spannung zu erzeugen, wo in der Geschichte keine war. Das überrascht mich nicht, ist es doch eine Erzählkonvention der heutigen Zeit, zu versuchen, die Zuschauer zu überlisten, und Spannung erzählerisch zu behaupten, wo diegetisch überhaupt keine ist.

Sie tauchen beide wieder auf und haben dann einen Dialog auf einem Boot. Dabei sind sie beide stationär und sehen sich an. Man könnte meinen, der Film habe bei der Produktion den Schauspielern das Drehbuch gegeben, aber einen Regisseur ausgespart, denn die Handlungen und Dialoge stehen ja schon auf dem Papier – wozu braucht man also einen Regisseur?

Sie fragt ihn, was wäre, wenn er danebengeschossen hätte. Wer sagt, dass er danebengeschossen habe, antwortet er. Einmal so cool sein, wie sich die Serie diesen Spruch vorstellt. Wie er einem Gericht erklären wolle, fragt sie, seine Frau in den Flitterwochen getötet zu haben. Also, wie die Figuren zueinander stehen, über den Dialog erklären. Wahre Filmkunst. Seine Antwort: Er wisse nicht. Schlagfertig wie James Bond.

Schnitt zu Flemings Haus Goldeneye auf Jamaica. Er schreibt gerade seinen ersten James-Bond-Roman zu Ende. Seine Frau sagt, sie möge Bond nicht, und dass Fleming schreibe, um auf dem Papier Junggeselle zu bleiben. Ein interessanter Gedanke, und es wäre interessant gewesen, dies auch zu zeigen, statt nur zu sagen. Es folgt eine unnötige Sexszene. Schnitt zu 13 Jahren vorher. Kein richtiger roter Faden. Es wäre schön, wenn die Filmemacher schon einmal etwas von hooks, manchmal auch bridges genannt, gehört hätten.

Jedenfalls, 13 Jahre vorher: Zwei Leute fahren Ski. Dazu aufregende Orchestermusik der generischen Prime-Original-Sorte. Es wird Action angedeutet, wo keine ist, eine Verfolgungsjagd, die keine ist, wie in der Tauchszene vorher. Das Muster kennen wir ja jetzt.

Wie schon der Night Manager nicht interessant genug war, um die erste Folge zu Ende zu schauen, habe ich auch diese Amazon-Spionage-Miniserie abgebrochen. Aber was kann man anders machen?

In ihrem „Handbuch angewandter Dramaturgie“ beschreibt Kerstin Stutterheim u. a. die historisch entwickelte Funktion der Eröffnung, oder Exposition, eines dramatischen Werkes. Man muss Figuren und deren Konflikte einführen. Und die Zuschauer nicht anöden. Und die Zuschauer nicht versuchen, zu veräppeln.

Viel Glück beim nächsten Versuch, Amazon.

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JH 


PS: Nächstes Mal wird der Lessing-vs.-Hitchock-Beitrag mit Teil 2/2 abgeschlossen. Versprochen! Aber gebt mir 4 Wochen.

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