Lessings Problem in der Nullfokalisierung
Nachdem wir uns in Teil 1 der Theorie und ihrer Vorteile gewidmet haben, beleuchten wir hier die Probleme.
Der besondere Reiz der nullfokalisierten Erzählung liegt im Wissen des Zuschauers über die verschiedenen Motivationen der Charaktere, sodass es zu Missverständnissen mit großem dramaturgischem Gewicht kommen kann. Sie verlangt allerdings auch, dass die Erzählung die Übersicht über die Wissensstände aller Charaktere behält. Andernfalls könnten Handlungslücken auftreten, die, wenn sie auffallen, bewirken, dass der Zuschauer distanziert wird, mit Lessings Worten, seine Anteilnahme geringer ausfällt. Ein solches Problem tritt auch in Miß Sara Sampson auf und soll nun, wie auch Lessings Versuch, es zu kaschieren, hier beschrieben werden.
Gegen Ende offenbart Marwood Sara ihre geheime Identität und dringt „mit tötender Faust“ auf sie ein. Sara flieht. Es folgt die Szene, in der Marwood beschließt, ihr Gift gegen Sara einzusetzen. Ende des IV. Aktes. Am Anfang des V. Akt kommt Sara nach einer Ohnmacht wieder zu sich. Was ist passiert?