Die Entdeckung von Argumentation |
Gibt es Leben außerhalb der Erde? Mit der Frage haben sich Autoren schon seit Jahrhunderten beschäftigt, von Kant und Voltaire bishin zu John Wilkins.
Von England auf den Mond
John Wilkins wurde 1614 in Northamptonshire geboren und starb am 19. November 1672 in London. Er war Akademiker, Theologe und Naturwissenschaftler. Als Sohn eines Goldschmieds schlug er eine geistliche Karrierelaufbahn ein. So studierte er unter dem Baptisten John Tombe, wurde später Vikar in Fawlsley, wechselte danach zwischen verschiedenen Positionen an verschiedenen Orten und wurde schließlich u.a. auch Bischof in Chester.
Trotz politischer Unruhen in seiner Zeit (Englischer Bürgerkrieg) gelang es Wilkins, seine hohe gesellschaftliche Stellung zu halten. „It was not an easy time for an active man to retain influence and office, but Wilkins managed to his habit of prudence and a spirit of moderation and tolerance.”
Der Republikaner und spätere Lord Protector Oliver Cromwell setzte sich in ebenjenem Bürgerkrieg gegen die Royalisten durch und regierte nach der Hinrichtung Karls I. bis zu seinem Tod, woraufhin die Monarchie unter Karl II., Sohn Karls I., restauriert wurde. Sowohl zu Cromwell als auch zu Karl II. hatte Wilkins gute Beziehungen.
Später war er Gründungsmitglied und erster Generalsekretär der am 15. Juli 1660 in London gegründeten nationalen naturwissenschaftlichen Akademie des Vereinten Königreichs, der Royal Society. Wilkins gilt als ein Repräsentant seiner Zeit:
The new science had triumphed, and the liberal Anglican theology known as latitudinarianism was, thanks to him, on the rise under such men as John Tillotson, Edward Stillingfleet, and Simon Patrick.
Außer The discovery of a world in the moone gehören A discourse concerning a new planet (1640), Mercury (1641) oder auch Mathematical Magick (1648) zu Wilkins’ Schriften. Die Themenbereiche, mit denen er sich beschäftigte, sind breit gefächert und vielfältig.
Wilkins’ Entdeckung: Leben auf dem Mond
The discovery of a world in the moone, or, a discourse tending to prove that ’tis probable there may be another habitable world in that planet von John Wilkins erschien 1638 in London. Es geht um die Beschaffenheit einer Welt im Mond und um seine Bewohnbarkeit.
Wilkins‘ Text beginnt mit einer Festlegung des argumentativen Fundaments, auf dem er seine Überlegungen aufbaut. Es folgt eine Beschreibung des Mondes als Planeten, der Beschaffenheit seiner Oberfläche sowie des Verhältnisses des Mondes zur Erde und andersherum. Am Ende stehen Überlegungen zu den Mondbewohnern. Mit Discovery verbreitet und verteidigt Wilkins das neue Weltbild von Kopernikus, Kepler und Galilei, richtet sich in einer zuweilen polemisch anmutenden Argumentation an eine allgemeine Leserschaft und beschreibt den Mond als erdähnlichen Planeten statt als leuchtende Fläche.
Wie der Titel des Werkes verrät, steht die Frage nach der Welt im Mond zwar im Vordergrund, dient dabei aber eher als Blaupause: Wenn auf der Erde Leben möglich sein könne, dann auch auf dem Mond und wenn auch dort, dann auch auf anderen Planeten. An diesem induktiven Argument baut Wilkins seine Argumentation auf. Nach der Überschrift für Proposition 2 – das ganze Buch ist in dreizehn solcher Propositionen eingeteilt – fasst er, wie am Anfang jeder Proposition, seinen Punkt in einem Satz zusammen: That a plurality of worlds doth not contradict any principle of reason or faith. Es ist also von einer Pluralität der Welten die Rede und nicht nur von einer Welt im oder Leben auf dem Mond. Daher wird auf der expliziten Ebene zwar der Mond, auf der impliziten aber das gesamte Universum beschrieben.
Dabei behandelt der Text außerdem noch andere Themen, die das Hauptthema flankieren. Auch Gott oder die Generierung von Wissen in der Menschheit sind für Wilkins von Bedeutung. Eine Besonderheit stellt die Wichtigkeit der philosophischen Überlegung, dass das Wissen und die Wahrheit unterschiedliche Dinge sein können und daher auch sind, dar. Hintergrund dessen ist ein Weltbild von Relativität von Wissen, was mit der Zeit vorm Englischen Bürgerkrieg korreliert. Der Sturz des Königs 1649 bedeutete auch den Umsturz des gesamten politischen Systems. Die politischen Konflikte wurden von religiösen und kulturellen begleitet.
So muss auch erwähnt werden, dass Wilkins sogar auf die Relativität seiner eigenen Aussagen besteht und so seine Behauptungen in die o. g. Relativität von Wissen mit einbezieht. Im Abschnitt To the Reader am Anfang des Buchs fordert er seine Leser auf:
That thou shouldst not here looke to find any exact, accurate Treatise, since this discourse was but the fruit of some lighter studies, and those too hudled up in a short time, being first thought of and finished in the space of some few weekes, and therefore you cannot in reason expect, that it should be so polished, as perhaps, the subject would require, or the leisure of the Author might have done it.
Sein Werk sei demnach nicht akkurat genug, was den Ursprüngen seiner Arbeit sowie auch der kurzen Entstehungszeit geschuldet sei. Da seine eigenen qualitativen Ansprüche demnach unerfüllt blieben, fordert er die Rezipienten zur Nachsicht auf.
Als Zweites fordert er:
To remember that I promise onely probable arguments for the proofe of this opinion, and therefore you must not looke that every consequence should be of an undeniable dependance, or that the truth of each argument should be measured by its necessity. I grant that some Astronomicall appearances may possibly be solved otherwise then here they are.
Es geht ihm also darum, vernünftige Argumente vorzutragen, die seine Spekulationen begründen, statt diese mit einem Wahrheitsanspruch zu versehen. Außerdem werde die Forschung in Zukunft neuere Kenntnisse und Mittel haben, um seine Aussagen zu überprüfen. Damit zeigt er sich wissenschaftsoptimistisch. Die Bedeutung seiner Arbeit wirkt hier noch eher bescheiden eingeschätzt.
Allerdings zieht Wilkins für seine Argumente immer wieder die Rezeption mittlerweile sicher bewiesenen Wissens heran, um seine Thesen zur nun argumentativ vorgetragenen Spekulation zu untermauern. Dadurch rückt er seine Aussagen in die Nähe sicheren Wissens.
Im Abschnitt To the Reader schreibt Wilkins nicht nur, was seine Arbeit nicht erfüllt, sondern außerdem auch, was er mit seiner Arbeit erreichen möchte.
It is my desire that by the occasion of this discourse, I may raise up some more active spirit to a search after other hidden and unknowne truthes. ... If by this occasion I may provoke any reader to an attempt of this nature, I shall then thinke my selfe happy, and this work successefull.
Demnach schätze er das Buch als erfolgreich ein, wenn er zur Forschung und Suche nach der Wahrheit inspirieren kann und setzt sich nicht etwa eine direkte Überzeugung der Leser durch seine Argumentation als Ziel.
Daran anknüpfend lässt sich außerdem festhalten, dass sich bei Wilkins die Themengebiete der Naturwissenschaft, Theologie, aber auch der Philosophie vermischen. Auch seine Anmerkungen am Rand verweisen auf Literatur aus diesen drei verschiedenen Feldern. Es gibt keine Trennung zwischen diesen, sie scheinen Hand in Hand miteinander zu gehen, sich gegenseitig zu ergänzen, begründen und erklären, woraus sich auch noch ein ‚verstecktes Ziel‘ ergibt.
Whether we call some of his writings scientific and others religious is a matter of emphasis; they all have the same aim: to guide man’s conduct toward moral virtue, religious devotion, and ultimately the hope of salvation.
So beginnt Wilkins seine Argumentation in der ersten Proposition (That the strangenesse of this opinion is no sufficient reason why it should be rejected, because other certaine truths have beene formerly esteemed ridiculous, and great absurdities entertayned by common consent.) mit Bezug auf Adam und die biblische Schöpfungsgeschichte und entwickelt daraus seine Polemik gegen eine allgemeine Ablehnung von Neuem. Schließlich gelangt er zu seiner Erwartung von wenig Zustimmung und argumentiert danach ausführlich und teilweise repetitiv gegen Formen des Autoritätsarguments, wobei er jeweiligen Beispielen viel Platz einräumt. Mit solchen argumentiert er auch für die folgenden Thesen:
1. Other truths have beene formerly esteemed altogether as ridiculous as this can be.
2 Grosse absurdities have beene entertained by generall opinion.
In derartiger und ähnlicher Form argumentiert er weiterhin gegen die Ablehnung seltsam erscheinender Thesen zugunsten einer sich möglicherweise als falsch he-rausstellenden, allgemein akzeptierten Annahme einer Wahrheit. Interessant ist in diesem Kontext auch eine Passage, die fast schon als konstruktivistischer Prototyp gelesen werden kann. Schreibt Wilkins,
that nothing is in its selfe strange, since every naturall effect has an equall dependance upon its cause, and with the like necessity doth follow from it, so that ’tis our ignorance which makes things appeare so [Hervorh. JW], and hence it comes to passe that many more evident truths seeme incredible to such who know not the causes of things,
erinnert er durchaus an de Saussures Modell von Signifikat und Signifikant. In diesem Kontext sollte auch Wilkins‘ späteres und o. g. Werk Mercury, or the secret and swift messenger, showing how a man may with privacy and speed communicate his thoughts to a friend at any distance, in dem es um das Entziffern von Zeichen, Kommunikation und Sprache geht, erwähnt werden. Doch dies nur nebenbei.
In der zweiten Proposition (That a plurality of worlds doth not contradict any principle of reason or faith) wird die Bedeutung der Theologie größer. Zunächst beschreibt Wilkins eine Anekdote über Aristoteles‘ kritische Reaktion auf die Bücher Mose. Der griechische Philosoph wird anschließend die Seite der Vernunft (reason) repräsentieren, die Heilige Schrift hingegen jene des Glaubens (faith), deren Vereinbarkeit mit seiner These Wilkins hier zu zeigen versucht – nichts Geringeres als die Vereinbarkeit von Vernunft und Glauben also.
Erst werden Aristoteles‘ Argumente gegen eine Pluralität der Welten entkräftet, wobei Wilkins dessen Autorität nicht als Grund akzeptiert, für dessen Meinung die Wahrheit abzulehnen und sogar nach möglichen Gründen für Aristoteles‘ (falsche) Meinung sucht. Als Zweites werden mögliche Argumente, die sich aus der Heiligen Schrift oder durch Meinungen religiöser Autoritäten ergeben, widerlegt.
Auffällig ist dabei auch Wilkins‘ Aussage über einen Vergleich mit früheren Zeiten, in denen die Behauptung, es gäbe mehrere Welten, als Häresie gegolten habe: Er schreibt über the ignorance of those primative times, who did sometimes condemne what they did not understand, womit er auch selbstbewusst die neuesten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit vertritt. Die Religion kann bei Wilkins nicht im Widerspruch zur Forschung stehen, da Verstand und Glaube in Einklang miteinander stehen müssten, da sonst das eine oder das andere falsch sein müsste. Zu diesem Punkt ist auch die Analyse passend, dass
his writings are devoted to the argument that moral and religious philosophy can be grounded on natural religion, by which he understood what ‘men might know, and should be obliged unto, by the mere principles of reason, improved by consideration and experience without the help of revelation.’
Diese Schwerpunktsetzung in der Dämmerung der Aufklärung setzt die Gebiete Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie, die bei Wilkins fließend ineinander übergehen, in ein neues Verhältnis. Die Abgrenzung zum ‚alten Denken‘ nimmt einen entsprechend großen Part ein.
Bemerkenswert ist auch, dass Wilkins zum Abschluss dieses Kapitels die Definition von Welt als das Universum statt als einen einzigen Planeten vorschlägt, die ihm zu einem früheren Zeitpunkt doch einige vorherige Textpassagen erspart hätte. Allerdings ist dies rhetorisch sinnvoll, da eine etwaige Diskussion um die Interpretation eines Wortes so nicht seine gesamte Argumentation infrage stellen könnte und die vorherigen Argumente auch losgelöst davon funktionieren.
Außerdem ist seine Verwendung der englischen Sprache bemerkenswert. Tauchen lateinische Zitate auf, folgt stets eine Übersetzung. Wie oben schon angemerkt, richtet sich Wilkins so stärker an eine allgemeine Leserschaft statt einen elitären Gelehrtenkreis, in dem Texte auf Latein zu erscheinen haben. Sprachlich so zu verfahren, stellt eine Neuheit dar: Wilkins bewegt sich so in einem Prozess, der sich letztendlich durchsetzen sollte.
Außerdem ist interessant, wer zitiert wird. Für den gegen Formen von Autoritätsargumenten vorgehenden Wilkins stellt der Papst keine Instanz dar, sondern die Heilige Schrift selbst (während ihm historische geistliche Persönlichkeiten häufig sogar als Negativbeispiele dienen); außerdem antike griechische Philosophen wie Platon oder insbesondere Aristoteles, aber auch neuere wie Descartes oder Forscher wie etwa Kepler und Galilei (die übrigens sowohl heimatsprachlich als auch auf Latein schrieben).
Mit Discovery arbeitet Wilkins alle Naturwissenschaften seiner Zeit ab: Es gibt in späteren Kapiteln geologische, meteorologische wie auch biologische Beschreibungen der Welt im Mond. Der Aufbau verläuft dabei analog zur Schöpfungsgeschichte, womit beide zielgerichtet sind. Wilkins‘ Kosmologie ist also hierarchisch aufgebaut und zweckgerichtet.
Discovery im Vergleich mit den anderen kosmologischen Texten
Wie auch die nachfolgenden Autoren geht Wilkins davon aus, dass es außer der Erde weitere bewohnte Planeten gibt, was eine Relativierung der Stellung der Erde im Kosmos bedeutet. Voltaire nimmt dabei mit seiner Satire Micromegas zwar eine Sonderstellung ein und überhöht ebendiese Relativierung. Da der technische Fortschritt nach Wilkins aber eine präzisere Erkundung des erdnahen Weltalls erlaubt, wird die Distanz der Planeten, die bewohnt sein könnten (oder müssten), zur Erde immer größer: Ist den Autoren bewusst, dass der Mond, den Wilkins noch zu den Planeten zählt, nicht bewohnt ist, werden eben Mars, Venus, etc. Gegenstand ihrer Texte. Parallel dazu weitet sich auch das betrachtete Gebiet aus: So findet sich bei Thomas Wright (und auch beim an ihn anknüpfenden Immanuel Kant) eine Theorie zum Aufbau des ganzen Universums. In dieser Größenordnung denken nicht alle der Autoren. Die Texte haben also den Anspruch einer Welterklärung und zumeist auch darüber hinaus einer Erklärung des ganzen Kosmos. Wilkins denkt dies noch eher theologisch und nicht so astronomisch, wie es bei seinen Nachfolgern der Fall sein wird.
Die Rechtfertigung des kopernikanischen Weltbildes nimmt in den frühen Werken der kosmologischen Texte eine größere Rolle ein als in späteren. Auffällig ist bei Discovery, wie viel Aufwand der Autor betreibt, um zu begründen und rechtfertigen, weshalb seine Meinung akzeptabel bzw. zulässig sei.
In den bisher nicht betrachteten Paratexten des Buches findet sich anfangs auch eine Druckerlaubnis. Möglicherweise hatte Wilkins, um diese zu erlangen, zum Ziel, potenzielle Kritik, religiöse wie auch nichtreligiöse, zu antizipieren. Im Grunde antizipiert er in den ersten Kapiteln auch bloß mögliche Argumente gegen seine These, statt welche zu nennen, die diese befürworten würden. Da über kein sicheres Wissen über sein Thema verfügt, vertraut er auf den Fortschritt und die künftige Forschung. Huygens dagegen wird später die Instrumente haben, um zu wissen, dass es auf dem Mond keine erdähnliche Welt oder Bewohner gibt. Während das kopernikanische Weltbild offenbar in Wilkins‘ Zeit noch nicht allgemein akzeptiert wurde, können spätere Autoren es als Basis für ihren Text voraussetzen. Damit reflektieren die Texte auch das Verhältnis von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu deren gesellschaftlicher Resonanz.
Eine Parallele zwischen Wilkins und seinen Nachfolgern bildet das Nachdenken über das früher für unmöglich Gehaltene. Eigene Entdeckungen oder argumentativ begründete Meinungen – Wilkins ist naturwissenschaftlich deutlich weniger akkurat und präzise als vergleichsweise etwa Huygens – ersetzen falsche bzw. veraltete Annahmen von früher, so groß deren Akzeptanz auch (gewesen) sein mag. Damit wird eine durchaus selbstbewusste Stellung des Subjekts vertreten.
In vielen Fällen wird über Ähnlichkeiten oder Analogieargumente vorgegangen. Die Unterschiede zwischen den Autoren liegen in den jeweils betrachteten Feldern. Von Details, wie Huygens zum konkreten Schluss kommt, dass intelligente außerirdische Lebewesen auch Daumen haben müssten, ist Wilkins allerdings noch weit entfernt. Seine Analogien und Vergleiche bewegen sich in anderen Dimensionen und sind abstrakter.
Eine Parallele bildet auch der Vergleich der Erde als bekannter bewohnter Planet mit der ‚Alten Welt‘ und dem unentdeckten Leben auf fernen Planeten mit jenem auf unbekannten Inseln. Die Entdeckung der ‚Neuen Welt‘ Amerika hat so anscheinend auch auf die Astronomie hineingewirkt, zumindest mit dieser Analogie sehr direkt.
Außer in Voltaires Satire stellt der Wissenschaftsoptimismus einen gemeinsamen Nenner dar, wobei sich dort die Instrumente ebenfalls als nützlich für Erkenntnisgewinn erweisen. Der Fortschrittsglaube der kosmologischen Autoren korreliert dabei mit den jeweiligen Orten, aus denen sie schreiben: Diese sind die Zentren aufsteigender (Kolonial-)Mächte (London, Paris, Amsterdam), gleichzeitig sind die Autoren aber auch dicht an den Knotenpunkten der wissenschaftlichen Eliten ihrer Zeit.
Bei Wilkins nimmt die theologische Argumentation viel Platz ein, wobei die Frage, ob er auch teleologisch argumentiert, ebenfalls erlaubt ist. Bei den französischen Autoren spielt Gott hingegen keine Rolle, wobei teleologische Argumente immer wieder die Begründung für die Theorien an sich bilden. Dass Naturwissenschaft und Religion, ggf. auch die Philosophie nicht getrennt gedacht werden, ist dabei bei den britischen Autoren zentral. Wright beispielsweise legt sein Universalbild u. a. so an, dass er Gott darin lokalisiert. Mit religiösen Argumenten sollen kosmologische Thesen erklärt werden, aber auch andersherum soll die Kosmologie die Existenz Gottes begründen, wobei vor allem die Ordnung in einem intelligenten, durchdachten System zentral ist. Statt der Ordnung steht beim Franzosen Fontenelle dagegen die Vielfalt im Vordergrund. Kant hingegen liefert eine mechanische Naturerklärung, nachdem er die religiösen Aspekte isoliert hat, obschon diese immer noch wichtig sind, da Gott in Kants Theorie am Anfang aktiv agiert (und auch nur am Anfang), womit sich eine Variante der aufgeklärten Theologie zeigt.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass es sich bei den Texten größtenteils um keine wissenschaftliche Detailliteratur handelt. Wilkins dienen seine Verweise auf Literatur eher dazu, seine argumentative Basis zu untermauern. Eine ähnliche Funktion haben Huygens‘ Detailangaben in seinen Texten. Deutlich stärker ist der Unterhaltungscharakter etwa bei Fontenelle, dessen Text eine ungezwungene, dialogisch aufgebaute, dramatisch inszenierte Situation (sogar mit ‚Regieanweisungen‘ an die agierenden Personen) beschreibt. Die Verbreitung über die wissenschaftlichen Kreise hinaus zur Herstellung von Verbindungen an die Öffentlichkeit könnte eine der Funktionen davon sein.
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JH
PS: Mein nächster Beitrag wird viel Recherche erfordern und daher erst in ca. 4 Wochen erscheinen. Aber er ist es Wert: Es geht um Guido Knopp und seine Geschichts-Dokumentationen auf ihrem Höhepunkt in den 90er Jahren.
Lesekram
- Aarsleff: Wilkins, John
- Fontenelle: Entretiens sur la pluralité des mondes
- Huygens: Cosmotheros
- Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels
- Voltaire: Micromegas
- Wilkins: The discovery of a world in the moone, or, a discourse tending to prove that ’tis probable there may be another habitable world in that planet
- Wright: An Original Theory or New Hypothesis of the Universe
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