Dunkirk
Das britische Lächeln |
Der erste Teaser zu Christopher Nolans neuem Film lag
ziemlich genau ein Jahr zurück, als ich gestern im Kino Dunkirk geschaut habe.
Einige der Schwächen, die ich mir aus dem Projekt erwartet habe, trafen
auch tatsächlich zu. Doch beginnen wir von vorn.
Der Film öffnet mit einem meeresgrün eingefärbten Vogo. Tatsächlich
wird diese Farbe bald alles dominieren. Das allgegenwärtige Meer zwischen England
und Dünkirchen, die meeresgrünen Reflexionen an weißen Farben auf Schiffen, oder
einfach alles andere auch, ab dem ersten Angriff auf die an Land stationierten
Soldaten, die auf ihre Abreise warten.
Dafür, dass Nolan den Film größtenteils über seine Figuren
erzählt, sind diese erschreckend profillos. Es stört nicht das Fehlen von
Hintergrundgeschichten über sie o.ä., sondern das Fehlen markanter
Charaktereigenschaften. Die episodische Erzählweise verschärft dieses Problem
noch, da die Anzahl handelnder Figuren (oder besser Schablonen) schwach
eingegrenzt ist.
All das führt gegen Ende zu einer kammerspielartigen
Situation, in der eine Gruppe Soldaten am Strand ein Boot gefunden hat, in dem
sie sich nun versteckt, um auf die Flut zu warten und aus Dünkirchen zu
fliehen. Es machen sich Konflikte unter ihnen breit, denen jegliche
dramaturgische Substanz fehlt, da die Personen erst seit zwei, drei Szenen Teil
der Handlung sind. Dramaturgisch ist das schlecht für den Film. Auch an anderen
Stellen leidet die Spannung darunter, da unklar bleibt, ob die Person gerettet
wird, oder sterben muss. Vermutlich verlässt Nolan sich hier auf die Sympathie
zu Personen in Not; tatsächlich kann Dunkirk
einen aber diesbezüglich kalt lassen. Ein anderes Problem ist die
Vorhersehbarkeit von Handlungsabläufen, wenn der Film sich an Foreshadowing
versucht.
Wenn wir schon bei dramaturgischen Schwächen sind, müssen
zwei noch genannt werden: Die Musik und das Ende. Dass der Film dauerhaft mit
Musik unterlegt ist, auch an Stellen, an denen ein Musikeinsatz überhaupt
keinen Sinn macht, ist natürlich nicht gerade vorteilhaft. So wechselten sich
bereits in der Szene des ersten Fliegerangriffs auf den Strand starke Elemente
(es gibt eine schöne Aufnahme mit spannender Nutzung der Bildtiefe) mit
schwachen (die Musik, die, obwohl sie von hans Zimmer stammt, nicht auf dem
Niveau seiner vorherigen Arbeiten (für Nolan) ist).
Jetzt zum Ende: Dieses ist kitschig pathetisch, inklusive
eines Voice-Overs der ebenso pathetischen Churchill-Rede. In Nolans Filmen war
der Einsatz von Pathos bereits öfter problematisch, etwa in den Batman-Filmen
mit realistischerer Herangehensweise. Hier passt das Ende auch nicht zum
ansonsten kühlen Film, der bis dahin an allen anderen Dingen interessiert ist,
als die Flucht als einen Sieg zu inszenieren. Wäre der Film hier nicht
abgedriftet, so hätte er dies als Erfolg verbuchen können, zumal es für die
Fokussetzung ja bereits durchaus sinnvoll war, darauf zu verzichten, die
Situation des Films als Kampf zu inszenieren, sondern eher als Angriffswellen,
die abgewehrt werden müssen und denen
entkommen werden muss. So werden auch erst am Ende Wehrmachtssoldaten gezeigt,
die in unscharfe Bildbereiche laufen, um den von Tom Hardy gespielten Piloten gefangen
zu nehmen. Von diesem hätte auch ein
Selbstopfer-Absturz in Wehrmachtssoldaten erwartet werden können, wäre der Film
nicht insgesamt nüchterner angelegt; so besteht das Selbstopfer aus dem Kampf
ohne Widerkehr. Dabei sind die Piloten auch einige der wenigen, die tatsächlich
kämpfen. Für die meisten Soldaten besteht die Arbeit hier nicht im Kampf,
sondern im Überleben.
Erschwerend kommt dabei auch hinzu, dass die historischen Ereignisse weder eine barocke Stillstandssituation noch eine Entwicklung von Handlungsdynamik erlauben, was gepaart mit den Problemen der Narration etwas größere Auswirkungen hat.
Erschwerend kommt dabei auch hinzu, dass die historischen Ereignisse weder eine barocke Stillstandssituation noch eine Entwicklung von Handlungsdynamik erlauben, was gepaart mit den Problemen der Narration etwas größere Auswirkungen hat.
Vorteilhaft hingegen ist es, wie immer parallel in den
Handlungssträngen nach Fristen gesucht wird, um so parallel die Spannung zu erhöhen,
die auch in die anderen Handlungsstränge hineinwirkt, wobei der Suspense eher
selten wirklich ausgereizt wird. Ein Stück weit steht der Film sich hier auch
mit seiner narrativen Herangehensweise im Weg.
Bedeutung in Nolans
Werk
Hört gerne Hans Zimmers Musik mit fettem Beat: Christopher Nolan |
Nolans charakteristisches narratives Stilmittel, bei dem er
Szenen aus verschiedenen Orten im diegetischen Raum, in denen unterschiedliche
Zeitabläufe gelten, durch eine Parallelmontage eng aneinanderknüpft und
zwischen ihnen so hin- und her wechselt, dass die Spannung in der
filmophanischen Zeit parallel zueinander steigt, kommt natürlich auch in Dunkirk zum Einsatz, bzw. auch dieser Film ist um dieses
Schema herum aufgebaut. Wie stellt der Film das an?
Die Antwort ist relativ simpel. Die drei verschiedenen Orte
werden gezeigt und eine Schrifteinblendung verrät, um welchen Handlungsort es
sich handelt und wie groß die Zeitspanne ist. Am Strand bei den Soldaten, die auf
die Abreise warten, ist beträgt sie eine Woche; auf einem zivilen Boot, das von
England nach Dünkirchen reist, einen Tag; und in der Luft, wo die britische
Luftwaffe gegen die deutsche kämpft, eine Stunde.
Aus der Handlung heraus gibt es für diese komplizierte
Herangehensweise überhaupt keinen Grund. Das Stilmittel wird hier eher um
seiner selbst willen eingesetzt, was narrativ schlecht ist. Die künstlerische
Vision des Regisseurs wurde dahingehend vermutlich am stärksten in Inception verwirklicht, wo es nicht
darum ging, ein Abenteuer in Traumwelten zu erzählen, sondern die
Traum-im-Traum-Struktur Nolan erlaubt, eine Handlungsebene in eine andere
einzubetten, wobei in beiden die Zeit unterschiedlich schnell abläuft.
Damit möchte ich nicht sagen, dass Inception Nolans stärkster ist. Hier erhöhte sich der Pathos
gegen Ende ebenso immens wie in allen folgenden Filmen. Auf der Suche nach der
idealen künstlerischen Entfaltung hat Nolan dabei einige kleine, feine Filme
gedreht, in denen die narrative Herangehensweise aus der Handlung selbst heraus
motiviert wird und auch das spätere Pathos in der Form noch nicht vorliegt.
Vermutlich waren daher The Prestige
und natürlich Memento die
Höhepunkte in Nolans Werk.
Seit dem stark gehypten The
Dark Knight verzeichnet sich ohnehin ein künstlerischer Niedergang bei
Nolan. Mit Interstellar konnte ich
durch mein Interesse für den Weltraum, sowohl dieses Sonnensystem als auch weit
entfernte interstellare Räume, als Handlungsort etwas anfangen, woran hingegen Dunkirk seit seiner Bekanntmachung scheitert.
Der Kriegsthriller ist auf der Ebene der impliziten Dramaturgie dazu noch
schwach ausgestaltet.
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JAH
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