Bei Buster Keaton kommt dem Framing eine entscheidende Rolle für die Präsentation von Sensationen und Gags zu. Ereignisse werden nämlich nicht nur durch Montagen konstruiert präsentiert, sondern gezeigt.
Von Anfang an zeigt sich eine
systematische Nutzung des Framings in vielen Momenten: Die ihm zukommenden
Funktionen sind die Dokumentation von Spektakel und Stunts, wobei hier auch
Tricks eingesetzt werden, die Wissensaufteilung zwischen den Personen in der
Diegese und den Zuschauern sowie einige gängige Funktionen.
Die wichtigste Funktion ist dabei die
Dokumentation von Stunts und Spektakel. Hierzu wird die Kamera in Relation zu
den Personen bzw. dem Geschehen so positioniert, dass alles Relevante im Bild
ist. Die Kamera ist also auf so großer Distanz wie nötig, aber dennoch so nah
wie möglich am Geschehen.
Ein Beispiel hierfür bietet sein Film
Neighbors: In einer Sequenz gibt
es ein artistisches Kunststück, als drei Personen aus Fenstern dreier
Stockwerke klettern, sich aufeinander stellen und der unterste sich dann bewegt.
Die drei Fenster, aus denen sie ursprünglich
aussteigen, sind links außen; die drei Fenster, in die sie einsteigen, rechts
außen. Somit ist keine Kamerabewegung notwendig; das Framing ist starr. Später trägt
der von Buster Keaton gespielte Protagonist sogar noch eine Person, die Frau,
die er in dem Film heiraten will.
Durch die Distanz des Extreme Long
Shot wird hier auch ein Trick ermöglicht. Im Verlauf der Sequenz geht dabei
zunächst der mittlere Artist und danach der unterste durch Hindernisse verloren,
sodass Buster erst auf dem untersten Artisten und dann auf seinen Füßen landet,
ohne die Frau, die er trägt, loszulassen. In den entsprechenden Shots wird das
Geschehen dokumentiert, statt etwa über eine Montage konstruiert.
Ein anderes Beispiel bietet The Paleface, wo Buster einen Hang
herunterstürzt, danach ein Fels als Schanze dient, von der Buster an eine Palme
fliegt und sich dort festhält. Seine seltsame Flugbahn deutet aber auf einen
Trick hin.
Auch in Daydreams lassen sich solche Shots finden: In einer Sequenz
hält Buster sich an einer schnell fahrenden Straßenbahn fest, wodurch er
zunächst durch die Luft „flattert“.
Auch hier ist es möglich, dass durch
in der Bewegung kaum sichtbare, sondern eher vermutbare Schnitte eingesetzt
wurden, um für das Bild, in dem seine Beine im Fahrtwind flattern, einen Trick
einzusetzen. Durch die Bewegung ist dieser Trick auch verschleiert. Hier geht
es aber vor allem um den Stunt; Tricks in Shots und beim Editing werden im
späteren Verlauf dieser Arbeit noch behandelt werden.
Zur Dokumentation von Spektakel
zählen auch Massenszenen oder die Interaktion mit Tieren. Das passendste
Beispiel für eine solche Massenszene finden sich in Cops, wo es erst eine große Polizeiparade gibt, dann eine
Verfolgungsjagd, in der eine Vielzahl von Polizisten hinter dem Protagonisten
her ist. Die Shots dauern oft länger, um die Menge an Polizisten zur Geltung
kommen zu lassen.
Beispiele für die Interaktion mit
Tieren bieten die Filme The Blacksmith
und The Balloonatic: In ersterem
unterhält sich der Protagonist mit einem Pferd, um dieses gemäß seines „analogisierenden
und parallelisierenden Verhaltens“ (Wolfram Schütte) wie ein Schuhverkäufer zu beraten. Das Pferd
schüttelt entweder den Kopf oder nickt, als verstünde es ihn. Auch dies wird je
in einem Shot gezeigt.
In The
Balloonatic sind die Figuren mit grundsätzlich gefährlicheren Tieren im
Bild. Einmal fühlt sich die wichtigste weibliche Nebenfigur des Films von einem
Bullen bedroht. Ein anderes Mal folgt ein Bär Buster, welcher auf einen
weiteren Bären trifft und diesen mit seinem Gewehr niederschlägt, wobei sich
ein Schuss löst, der den verfolgenden Bären trifft.
Ebenfalls wichtig ist in Buster
Keatons Filmen, die Funktionen von Maschinen zu zeigen. In The Boat werden z.B. der Mast und alle
weiteren an Deck herausragenden Dinge so geneigt, dass das titelgebende Boot
unter einer niedrigen Brücke hindurchfahren kann.
Auch in The Scarecrow, einem frühen Film Keatons, in dem bereits die
systematische Nutzung von Editing und Framing u.a. für Gags umgesetzt wird,
gibt es am Anfang eine mehrminütige Sequenz, in der gezeigt wird, wie die von
Keaton und Joe Roberts, Keatons wichtigster Nebendarsteller und oft Antagonist
in den Kurzfilmen, gespielten Figuren in ihrem kleinen Haus Gebrauchsgegenstände
nutzen, die so umgebaut wurden, dass sie mehrere Funktionen zugleich erfüllen.
Dazu kommen gelingende Kleinigkeiten
wie etwa in The High Sign, als Buster
seinen Hut an einen Ständer wirft, ohne hinzuschauen. Diese Art von Gag
erinnert zugleich an die Filme Roscoe Arbuckles, unter dessen Regie Keaton im
Film The Butcher Boy debütierte,
wo es nach wenigen Minuten auch einige Beispiele für ähnliche Aktionen gibt.
Arbuckles „Kino der Präsenz“ ist allerdings bei größeren Stunts ein durch die
Montage konstruiertes, während solche bei Keaton im Profilmischen präzise
getimt sind und es so oft Long Shots oder Extreme Long Shots aus einer
geeigneten Kameraeinstellung gibt, die das ganze Geschehen auf einmal zeigen,
während es vorher einige nähere Aufnahmen gegeben hat, durch die auf Details
der Aktion hingewiesen worden ist.
Dieser Exkurs soll nun kurz an einem
Beispiel vertieft werden: In The Hayseed
gibt es eine Sequenz, in der Buster von einer Leiter in die Kutsche des von
Arbuckle gespielten Protagonisten fällt. Hierzu werden die folgenden Shots
eingesetzt: Erst eine Aufnahme von Arbuckles Figur, dann Buster auf dem Dach,
dann als Extreme Long Shot, wie zwei Personen dessen Leiter kippen, dann seine
Landung als Long Shot.
Gemäß Keatons Strategie stünde am
Ende statt zwei Shots nur einer aus größerer Distanz, in dem die Bewegungen der
Personen für den Dreh genau abgestimmt hätten sein müssen. Sowohl die
Geschwindigkeit der Kutsche als auch der fallenden Leiter hätten berücksichtigt
werden müssen, damit Keaton genau auf dem Platz neben Arbuckle landet. Während
Arbuckles Präsenzkino somit begrenzter ist, ist für Keatons eine akribische
Planung sowie Präzision notwendig, die häufig zu Einstellungen mit größerer
Distanz zwischen Kamera und Personen führt. Keaton selbst beschrieb diese
Tendenz in seinen Filmen wie folgt: „Wenn ich einen Gag habe, der sich
entwickelt, mag ich nicht gern gleich dicht herangehen mit der Kamera. […]
Nahaufnahmen stören auf der Leinwand.“
Einen letzten Punkt stellen surreale
Gags dar: Man sieht, dass ein Trick angewandt wurde, kann ihn aber nicht
erklären.
Solche finden sich bei Keaton etwa in
The High Sign: Dort malt die Buster
einen Haken an die Wand und hängt kurz darauf seinen Hut dort an. Im zweiten
möglichen Beispiel, The Haunted House, drückt Buster seinen
Gehstock an die Wand, wo er haften bleibt, um dann ebenfalls als Haken für den
Hut zu dienen.
Diese Gags bezeichnete Keaton selbst
als die „unmöglichen, dass heißt phantastischen Gags“ (Autobiographie); in den
Langfilmen sollten sie nicht mehr vorkommen.
Für Tricks nutzt Keaton somit auch oft
einen Shot ohne Schnitt statt mehrere mit Schnitten. Das populärste Beispiel aus
seiner Kurzfilmzeit dürfte die erste Hälfte seines Films The Playhouse darstellen, wo er selbst
gleich mehrfach im Bild ist und die verschiedenen Figuren sogar miteinander
interagieren.
Simplere Tricks entstehen etwa durch
eine gekippte Kamera in The Boat, wo
auch das Zusammenspiel mit der Montage den Gag unterstützt: In einer Szene wird
im Boot alles nach hinten gekippt, als fahre das Boot einen Hang hinauf. Es
folgt ein Schnitt zu einem gekippten Bild, das den Eindruck erweckt, dies
geschehe tatsächlich.
Dasselbe geschieht im Anschluss daran
auch noch einmal in die andere Richtung: Nun fährt das Boot in der Diegese eine
Steigung herunter, was durch die den Zuschauern schon in den ersten Sekunden
des Films offenbarte Technik (dazu später mehr) im ersten und durch ein
gekipptes Kamerabild im zweiten Shot dargestellt wird.
In anderen Fällen ermöglicht eine
sehr große Distanz in einem Extreme Long Shot den Einsatz von Dummys. Solche
finden sich in den Filmen The Paleface
und The Love Nest: In ersterem
wird Buster in einer Szene verbrannt. Hierzu wird er in Medium Shots gezeigt,
bei denen das Feuer nur im Vordergrund brennt, also ebenfalls getrickst wurde;
später gibt es davon auch eine Aufnahme in einem Extreme Long Shot, in dem sich
die Person nicht bewegt.
Auch in The Love Nest werden erst etwas nähere, dann viel weitere
Shots, die Buster zeigen, kombiniert, um zu zeigen, wie ein Marineschiff die
Zielscheibe abschießt, auf die sich Buster zum Angeln gesetzt hat.
In The
Love nest wird der Trick dabei durch Schnitte zu näheren Aufnahmen
unterstützt, die zeigen sollen, wie der Protagonist in die Höhe fliegt und
wieder herunter fällt. Da sein Fallverhalten dabei nicht physikalischen
Gesetzten entspricht, lässt sich hier leicht erkennen, dass vermutlich zu
humoristischen Zwecken getrickst wurde.
In den gerade genannten Beispielen
aus The Boat, The Paleface und The Love Nest wird der Effekt, der durch die Tricks erreicht
werden soll, auch mit einer Montage kombiniert. Hier zeigt sich, dass die
untersuchten Funktionen nicht klar voneinander trennbar sind und sich
stellenweise überschneiden. Dennoch bleibt es sinnvoll, beides separat zu
analysieren.
Neben der Dokumentation oder dem
scheinbaren Einsatz von Stunts ist die zweite wichtige Aufgabe des Framings die
Fokalisierung. Dieser Begriff beschreibt die Aufteilung von Wissensständen in
narrativen Kunstformen. Dabei geht es um die Aufteilung von Wissen zwischen den
diegetischen Figuren untereinander sowie den Zuschauern. Der Begriff der
Fokalisierung stammt von Gérard Genette, der zwischen vier verschiedenen
Fokalisierungstypen unterscheidet:
Bei der internen Fokalisierung werde
aus der Sicht einer bestimmten Figur erzählt, deren Gedankengänge die Erzählung
mit den Zuschauern teile. Bei der externen Fokalisierung hingegen werde eine
Figur ‚von außen‘ betrachtet; ihre inneren Gedankengänge würden nicht mitgeteilt,
sondern blieben geheim. Mischformen bei mehreren Figuren biete die Nullfokalisierung,
wobei hin- und hergewechselt werde: Verschiedene Figuren würden teils intern, teils
extern fokalisiert; in der Literatur entspräche dies dem allwissenden Erzähler.
Wird ein Ereignis aus mehreren Perspektiven geschildert, nutzt Genette den
Begriff der multiplen Fokalisierung; so zeigten sich Gemeinsamkeiten,
Ähnlichkeiten oder Unterschiede in der Wahrnehmung der Figuren. Diese
Kategorisierungen sollten aber nicht als starr verstanden werden, sondern könnten
auch innerhalb eines Werkes variieren.
Genettes Theorie ist zwar auf die
Literatur ausgerichtet, lässt sich aber auch auf den Film anwenden. Dabei
findet ein Transfer statt. Wichtig dabei ist, dass die Narration durch
filmische Mittel erfolgt, wodurch die Fokalisierung auch „halbsubjektiv“
(Edward Branigan) sein kann.
Für Szenen, in denen das Wissen der
Zuschauer dem des Protagonisten oder anderer Figuren entspricht, bietet The Goat ein passendes Beispiel: Während
einer Verfolgungsjagd setzt sich Buster in den scheinbaren Ersatzreifen eines
Autos. Als dieses losfährt, bleibt Buster jedoch an seiner Stelle. Es stellt
sich heraus, dass der Reifen aufgestellt war und nicht zum Auto gehörte. Am
Reifen hängt ein Schild, dss er umdreht und der Text darauf, „Vulcanizing“, für
ihn und die Zuschauer sichtbar wird. Mit dem aufgestellten Reifen wurde also
bloß für Reparaturen geworben.
Im zweidimensionalen filmophanischen
Bild ist nicht auf Anhieb erkennbar, dass der Reifen nicht zum Auto gehört,
obschon der Protagonist es in der dreidimensionalen diegetischen Welt hätte
sehen müssen. Doch Keatons Filme spielen oft mit dem Verhältnis zwischen
zweidimensionalem Bild und diegetischem Raum, was sich auch in anderen
Beispielen zeigt: In The Love Nest
ist Buster seit einiger Zeit in einem kleinen Boot unterwegs und glaubt
offenbar, er sei nun auf offener See verloren. Als eine Frau vorbeischwimmt,
steht er auf und schaut sich um. Von einem Shot in näherer Long-Shot-Distanz
wird zu einem Extreme Long Shot gewechselt, der zeigt, dass Buster sein Boot
nicht losgebunden hatte und daher noch immer am Dock liegt.
Dabei geht das Blickfeld der Personen
oft nicht über den Bildrand hinaus, worin sich zeigt, dass die diegetische Welt
in Keatons Filmen eine eigene filmische darstellt und keine afilmisch
realistische nachahmt. Es erscheint daher passender, bei Keaton von einer
‚filmischen Surrealität‘ zu sprechen.
Diese zeigt sich auch in anderen
Filmen, wenn mit dem Verhältnis vom zweidimensionalen filmophanischen Bild zur
Tiefe der diegetischen Welt gespielt wird. Obwohl Figuren sich dann in der
Tiefe bewegen, gibt es diese anscheinend dennoch nicht: So entstehen
Situationen wie in The Scarecrow, als
die Hauptfigur sich auf der Flucht vor ihren Verfolgern als Vogelscheuche
verkleidet. Einer der Verfolger rennt dann an ihrer Vorderseite vorbei, sodass er
das Gesicht der Vogelscheuche hätte sehen können; in einem filmischen
Universum, in dem Personen aber nur so viel sehen, wie die Zuschauer, kann er
in der Vogelscheuche den Protagonisten jedoch nicht erkennen. Dies ist in diesem
Beispiel allerdings noch nicht so stark ausgereift wie später, weil hier eine
Figur in Eile ist und so womöglich das, was sie in der Tiefe hätte sehen können,
übersieht.
In The
Playhouse findet ein solcher Moment in Verbindung mit einem Bühnenakt
statt, bevor er in The Paleface in
die diegetische Realität einzieht. Während des Bühnenaktes übersieht Buster in
ersterem Beispiel, dass sich in der Tiefe des Raumes mehrere kleinere Personen
hinter einer größeren verstecken, obwohl er seitlich, nicht frontal, auf sie
schaut. In The Paleface ist ein
solches Übersehen nicht mehr ein womöglich intendierter Teil einer diegetischen
Show. Buster will sich auf ein Pferd aufsetzen, endet aber falschherum auf
einem anderen Pferd sitzend, das hinter dem sichtbaren Pferd versteckt war und daher
von den Zuschauern und so auch von der Figur in der Diegese nicht gesehen werden
konnte.
In einer afilmischen Realität könnte
so etwas nicht passieren, da die Person ein anderes Blickfeld hätte, als jemand
aus der Kameraperspektive. Um seine filmische diegetische Surrealität zu
kreieren, wurden diesmal somit Blickrichtungen und –barrieren verwendet, die
Keatons Filme auch an anderen Stellen fokalisierend einsetzen. Dort ist die
Handlung aber wieder realistischer.
In Cops
gibt es etwa die folgende Szene, in der die von Joe Roberts gespielte Figur per
Auto herbeigefahren wird, um Buster aufzusuchen. Als das Auto wegfährt, ist dieser jedoch
schon verschwunden, da er im richtigen Moment ins Auto eingestiegen ist. Dies
wurde nicht gezeigt, sodass sein Verschwinden zwar überraschend, aber logisch
erklärbar ist.
Die Aufteilung von Wissen zwischen
den Figuren untereinander sowie zwischen diesen und den Zuschauern kann dabei insgesamt
variieren. Je nach Sequenz können auch Protagonist und die Zuschauer mehr
wissen als andere Figuren, andere Figuren und die Zuschauer mehr als der
Protagonist, usw. Hat der Protagonist einen Wissensnachteil, wird Suspense
erzeugt.
Ein Beispiel hierfür bietet ein Shot
aus The Frozen North, wo Busters
Blickrichtung vom Geschehen abgewandt ist, das für die Zuschauer durch einen
Kameraschwenk offenbart wird, als ein Bär hinter ihm auftaucht. Statt eines Schnitts wird somit ein mobiles
Framing genutzt. Durch den Schwenk wird mehr vom Raum gezeigt und der
Informationswert erhöht.
Zugleich zeigt sich hier, dass sich
auch Funktionen überschneiden können. Dies ist jedoch recht selten der Fall,
oft nur in Überschneidung einer Hauptfunktion (Spektakel, Suspense) mit einer
Nebenfunktion, vor allem Bildstrukturen; hierzu später mehr.
In der Regel nutzt Keaton im
Gegensatz zum obigen Beispiel eher ein starres Framing. Darin können dann
Blickrichtungen und –barrieren genutzt werden, wie in folgendem Shot, der
allerdings auch von mehreren Shots zu Details der Szene unterbrochen wird und
sich somit schon in der Schnittmenge zum Kapitel über das Editing befindet: In The Goat
wurde Buster von einer
Bekanntschaft zum Essen eingeladen und diniert nun, wie sich herausstellt, u.a.
mit seinem von Joe Roberts gespielten Gegenspieler in diesem Film. Diesmal
haben die Zuschauer einen größeren Wissensvorsprung als im obigen Beispiel, da
ihnen dort erst der Schwenk weitere Informationen zugänglich gemacht hat,
worauf eine schnelle Auflösung der Wissensungleichheit gefolgt ist; hier gibt
es eine längere Sequenz mit Suspense und einen Shot ohne Schnitt, der am Ende
der Sequenz steht und durch die Montage vorher vorbereitet wurde.
In einigen sonstigen Punkten ist
Keatons Framing insofern konventionell, dass nur Relevantes ins Bild gesetzt
wird und alles weitere ins Off. Dass dies auch humoristische Funktionen haben
kann, zeigt ein Shot aus The High Sign:
Buster soll Leibwächter eines Mannes werden. Dabei wird er vor allem von dessen
Tochter überzeugt. Ihre Verhandlung wird u.a. in einem Shot gezeigt, in dem nur
sie und Buster im Bild sind und später die Hand des Mannes ins Bild kommt; die
eigentliche Motivation für die Arbeit ist demnach offenbar die junge Frau.
Jemanden beschützen und gleichzeitig umbringen müssen? Für sie kein Problem. |
Zudem wird durch ein womöglich
anfangs noch unpassend erscheinendes Framing gegebenenfalls die spätere Bildentwicklung
antizipiert, statt sie in den entsprechenden Momenten durch Kamerabewegungen
anzupassen. Dies zeigt sich etwa in One
Week: Hier wirkt es, als ließe die Kamerapositionierung zu viel freien
Raum rechts, doch im späteren Verlauf wird die dort liegende Fußmatte noch
wichtig.
Ein anderes Beispiel bietet ein Shot
aus The High Sign: Zunächst wirkt
das Bild unbalanciert und es ist unklar, wieso der viele Raum hinter der Person
das Bild in der linken Hälfte füllt. Erst später, als die Person im Bild ihre
Positionierung anpasst, erklärt sich der Sinn der Setzung des Bildrahmens.
In Keatons frühen Werken ist das
Framing dadurch teilweise noch irritierend. In späteren Filmen lässt die
Kameraeinstellung hingegen nicht mehr zunächst etwas zu viel Raum an Stellen,
wo sie diesen erst später braucht, um ihn später zu füllen.
Keaton, der gemäß seinem Stil öfter
zu größeren Distanzen zwischen der Kamera und den gefilmten Personen neigt,
entscheidet sich so auch an solchen Stellen zu dokumentarisch anmutenden
distanzierteren Shots, nimmt also ein unbalanciertes Bild in Kauf. Kamerabewegungen
sollen vielmehr wie oben fokalisierend eingesetzt werden.
Auch in One Week antizipiert die Kamerabewegung ein nur mögliches späteres
Bild für einen Gag, als die von Sybil Seely gespielte Figur, Busters Ehefrau in
dem Film, ein Bad nimmt. Als ihr die Seife herunterfällt, kann sie diese nicht
aufheben, ohne sich zu entblößen, da die Kamera auf sie gerichtet ist. Also
kommt eine Hand, offenbar die des Kameramanns, ins Bild und verdeckt sie kurz, bis
sie die Seife aufgehoben hat; danach wird das Bild wieder freigegeben.
Als Gegenstück zu diesen Bildern
dienen solche, in denen das Framing eine Bildstruktur erzeugen soll, durch Elemente
der Bildkomposition wie Vorder- und Hintergrund, Symmetrien, geometrische
Formen etc. Statt die Struktur temporär zu vernachlässigen, ist sie festerer
Bestandteil einer saubereren Präsentation der Handlung.
Klare Strukturen sind dabei teilweise,
wenn auch selten, wichtiger als die Einhaltung der Handlungsachsenkonvention,
wie Sequenzen seiner späteren Filme The
Balloonatic oder The Love Nest zeigen, sodass Buster sich
in letzterem für einige Head-on-Shots und Tail-on-Shots auf der Handlungsachse
bewegt, da mit einem Shot-Reverse-Shot-Schema gearbeitet wird.
Oft nutzt Keaton zur Erzeugung klarer
Strukturen symmetrisch angeordnete Bilder. Das bekannteste Bild ist womöglich
das folgende aus The High Sign.
Durch geheime Türen sind die Räume des Hauses, in dem der Mann wohnt, für den
Buster als Leibwächter arbeitet, miteinander verbunden, sodass in einem Shot
mit geöffneter Wand alle auf einmal gezeigt werden können, was zugleich eine
gute Übersicht erzeugt. Dadurch ergeben sich auch an bestimmten Punkten feste
wiederkehrende und kurzzeitig vorhersehbare Dynamiken.
Ganz so aufwändig müssen die klar
strukturierten Bilder aber nicht immer sein: In The Haunted House stehen vier Personen nebeneinander und bewegen
sich dabei fast synchron, als sie versuchen, klebende Geldscheine abzuschütteln.
Manchmal werden dabei Dynamiken im
Bild etabliert und mit längerer Dauer präsentiert, wie in einem Shot in Cops, wo eine Leiter als Wippe dient.
Fazit
Die Hauptfunktionen von Framing und
Editing in Buster Keatons Kurz- und später Langfilmen sind seinem Stil des
Präsenzkinos untergeordnet. Stunts und andere spektakuläre Dinge werden mit
einer tendenziell größeren Distanz zwischen der Kamera und den Personen
aufgenommen. Die zweitwichtigste Funktion des Framings ist die Fokalisierung,
oft zu humoristischen Zwecken. Manchmal werden auch profilmische Trucages
eingesetzt, wobei in der Regel in Verbindung mit den darauffolgenden oder
vorangehenden Shots eine Erzählung konstruiert wird. In einigen Fällen wird
auch durch Kameraeinstellungen eine saubere Bildstruktur erzeugt, wobei dieser
Punkt nicht unbedingt spezifisch für Keaton ist, sondern eher in Verbindung mit
der ersten genannten Funktion. Spezifisch sind eher die Bildkompositionen
selbst. Framings nach Relevanz oder zur Antizipation der Bildentwicklung sind
hingegen konventionell, letzteres wird von Keaton in späteren Kurzfilmen,
spätestens aber in seinen Langfilmen nur noch genutzt, wenn dadurch kein
situativ und temporär unbalanciertes Bild riskiert wird.
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