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Sonntag, 7. Juli 2024

Analyze this? Okay:

 

Regisseur (links) lobt seinen Drehbuchautor (rechts) für das gelungene Drehbuch.

Sigmund Freud war deutlich weniger vom Kino begeistert als das Kino von Freud. Durch eine zur Haltung Freuds gegensätzliche Strömung innerhalb der Psychoanalytikerkreise wurde allerdings eine Art der Gegenseitigkeit erzeugt. Das Kino war für die Psychoanalyse interessant und vice versa.

In Kino wurde das Thema Psychoanalyse aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet: Mal war der Patient die Hauptfigur, mal der Therapeut. Dabei bildeten sich narrative Motive, Muster und dramaturgische Strukturen heraus, die den Filmen zu ihrer bestmöglichen Entfaltung helfen sollten, denen sich die Werke immer wieder bedienten; so kann auch von einem eigenen Genre die Rede sein.

Dass festgefahrene Muster fruchtbaren Nährboden für Parodien bieten, liegt auf der Hand. Da sich an der Parodie durch das dialektische Verhältnis von Parodie und Parodiertem derartige Elemente besonders stak erkennen lassen, da sie sie einerseits selbst für die parodistische Erzählung nutzt, andererseits dabei gleichzeitig Kritik an ihnen übt, sollen in diesem Blogbeitrag ebensolche Elemente in der Komödie Analyze This (Reine Nervensache, USA 1999) unter der Fragestellung, wie die beiden parodierten Genres parodiert werden, analysiert werden. Der Fokus wird dabei auf dem psychoanalytischen Film liegen, da es den zu weit führen würde, das Gangsterfilmgenre genauso stark zu beleuchten.

Mit Blick auf die explizite dramaturgische Struktur lässt sich als typischer Handlungsverlauf des psychoanalytischen Films folgender erkennen: Jemand mit psychischen Problemen sucht einen Psychoanalytiker auf, der nach wenigen therapeutischen Sitzungen auf das traumatische Ereignis in der Vergangenheit des Patienten stößt. Dabei verzahnt sich der Erfolg in der Therapie mit der Entwicklung der Beziehung zwischen Patient und Arzt. Indes gibt es auch eine oder mehrere Traumdeutungsszenen und falsche Fährten. Letztendlich hat die Entdeckung des traumatischen Ereignisses eine kathartische Wirkung und zieht die Heilung des Patienten und damit ein Happy End nach sich.

Innerhalb dieser Struktur finden sich häufig Muster einer kurzen und kathartischen Therapie, deren Erfolg durch das „Bewusstmachen eines meist monokausalen und real erlittenen Traumas in der Geschichte des Patienten (meistens in seiner Kindheit)“ ermöglicht werde, was  „eher durch gemeinsames Agieren als durch Verbalisieren“ geschieht, wobei Analytiker und Patient gemeinsam den „Ort des traumatisierenden Geschehens“ noch einmal aufsuchen und wofür eine „Grenzüberschreitung“ im Sinne einer „Regelverletzung“, oft Liebe, notwendig sei.

Analyze This bewegt sich in diesem Schema. Dabei zieht der Film aber Spannungen mit humoristischer Wirkung daraus, dass es sich beim Arzt nicht um eine heroische Figur, sondern um einen Psychotherapeuten, der sich insgeheim an der Banalität der Probleme seiner Patienten, welche realitätsnäher als die dramaturgisch ‚geschliffenen‘ Haupthandlungen sind, stört und es sich beim Patienten um einen Gangster, der die Dominanz in der Beziehung zum Arzt für sich beansprucht und in vielen Situationen durch „eine strahlende Unkenntnis und auch Verachtung für alle therapeutischen – insbesondere psychoanalytischen - Konzepte“ unkonventionell reagiert, gerade im Vergleich mit den anderen Patienten des Arztes, handelt.

So ist es diesmal der italoamerikanische Mobster Paul Vitti (Robert de Niro), der den Psychotherapeuten Dr. Sobel (Billy Crystal) aufsucht, um seine psychischen Probleme loszuwerden Dabei ist Sobel eine Frist, ein dramaturgisch auch in diesem Genre populäres Mittel, gesetzt, da Vitti unbedingt geheilt sein muss, bevor es zum großen Treffen mit den anderen Bossen der Cosa Nostra, bei dem er keine Schwächen zeigen darf, kommt. So veralbert der Film zugleich auch de Niros Image, das dieser sich in seinen Gangsterrollen  in den neunziger Jahren aufgebaut hat und nutzt den überhöht unaufgeregten Crystal als klischeehaften Psychoanalytiker, eher eine Parodie auf den häufig im Genre vorkommenden „Wunderheiler“, der Anleihen nimmt an dem Typen des  „liebenswerten und komischen Shrink, der eigenartige Behandlungsmethoden verwendet und mitunter verrückter erscheint als die Patienten, die er behandelt.“ Durch das Verhältnis von Arzt und Patient, psychotherapeutische Praktiken und einen Rollentausch der Hauptfiguren wird dabei Komik erzeugt.

 

Bereits vor ihrem ersten persönlichen Treffen wird das ungewöhnliche Dominanzverhältnis in der Beziehung von Therapeut und Patient deutlich. Vor der ersten Sitzung vertreibt Paul Vittis Bodyguard Jelly (Joe Viterelli) Sobels Patienten und schafft damit die Voraussetzung für Vittis Auftritt. Gesellschaftliche Konventionen gibt es für Gangster nur, um gebrochen zu werden.

Mit der dramaturgischen Funktion einer strukturschaffenden Figur stellt Jelly schon zuvor eine Verbindung zwischen den beiden wichtigsten Figuren des Films her. Durch die Fokalisierung wird Sobel zur eigentlichen Hauptfigur, dennoch können auch beide, Sobel und Vitti, wegen ihrer Bedeutung für die Handlung als Protagonisten bezeichnet werden. Daher nimmt der Film auch Anleihen am Buddy Movie.

Vitti ist in der ersten Sitzung derjenige, der den Therapeuten auffordert, sich zu setzen, als wäre er der Gastgeber oder Vorgesetzte, und nimmt später auf dem großen Sessel des Therapeuten Platz, womit er Sobel auf die Couch für Patienten verweist: „Ich werde hier sitzen.“ – „Natürlich, wenn das für Sie angenehmer ist.“  Ohne Kenntnisse über den gängigen Ablauf der Sitzungen setzt der Mafioso sich über diesen hinweg.

Sobel hingegen muss behutsam vorgehen. Anfangs ist er noch ängstlich („Bitte töten Sie mich nicht.“),  doch weiß er zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass er in seiner Funktion als Therapeut aufgesucht wird, sondern hatte am Vorabend schließlich einen Autounfall mit Jelly. Schließlich behauptet Vitti, Rat für einen Freund mit Problemen zu suchen, wobei für Sobel und die Zuschauer offensichtlich ist, dass Vitti über seine eigenen Sorgen spricht. Dabei unterläuft Sobel der Fehler, sein Wissen darüber unvorsichtig preiszugeben und Vittis Lüge aufzudecken, wofür dieser ihn rüffelt. Dadurch lernt Sobel, sich im weiteren Gesprächsverlauf daran, dass es Vitti nicht leiden kann, direkt mit Schwächen konfrontiert zu werden, anzupassen; so wird das Wort „Panikattacken“, für das in einer vorherigen Szene ein junger Arzt verprügelt wurde, schnell korrigiert.

Zwar ist Vitti die dominante Person, während Sobel behutsam zurückweicht, doch erntet letzterer für den Vorstoß: „Mister Vitti, ich werde jetzt sehr, sehr viel riskieren. Ich denke, ihr Freund sind Sie selbst“, schließlich sogar ein Lob. Am Ende des Gesprächs erzwingt Vitti, dass Sobel preisgibt, wo er seinen baldigen Urlaub verbringen wird, womit eine Fortsetzung der Sitzung im Raum steht. Sobels Konflikt besteht nun daraus, dass er an seinen eigenen Prinzipien festhalten und ein guter Psychotherapeut sein will, aber das Risiko, seinen mächtigen Patienten zu verärgern, nicht eingehen darf. Vitti hingegen will die dominante Person bleiben, die er war, muss hierzu aber in die ‚schwächere‘ Patientenrolle, die ihm nicht liegt, da er jemandem – seinem Arzt – von seinen Schwächen erzählen muss, was für ihn einen Verlust seiner Dominanz (und seiner Männlichkeit) bedeutet, schlüpfen, um seine Probleme zu lösen. Er hadert mit der Akzeptanz dieses kurzfristigen Rückschritts, durch den er letztendlich einen langfristigen Fortschritt erreichen wird.

In der zweiten Sitzung wird das Dominanzverhältnis durch verschiedene Faktoren verändert. Jelly sucht Sobel nachts in dessen Hotelzimmer auf, weil Vitti ihn sprechen will. Dieser schimpft dann zunächst wüst auf Sobel ein („Sie armseliger kleiner Mistarschsack!“), da er mittlerweile verstanden hat, dass die wenigen Minuten in der ersten Sitzung kaum eine Heilwirkung hatten. Dadurch, dass Vitti seine Dominanz ausspielen will, lädt er aber Sobel in die Offensive ein: Dieser beschwert sich über die Situation, nachts entführt geworden zu sein und greift Vittis Illusion einer schnellen Heilung an: „Ich habe Sie fünf Minuten gesehen, was hatten Sie denn erwartet?“ Dabei nutzt er auch ungewöhnlich derbe Ausdrücke, für die er sich wiederum sofort entschuldigt. In ähnlicher Manier möchte gewiss der ein oder andere Psychologe reagieren, wenn er sieht, wie Vertreter seiner Profession sonst in Film und Fernsehen dargestellt werden.

Daraufhin erzählt Vitti von seinen sexuellen Problemen, seiner Angst vor dem Verlust seiner Männlichkeit und teilt ihm mit, er müsse innerhalb von zwei Wochen geheilt werden. Sobel verspottet Vittis Verschlossenheit sarkastisch, erklärt dann, zwei Wochen seien für eine Therapie zu kurz, wobei diese Kritik auf der Metaebene auch auf ein gängiges Narrativ abzielt, und weist Vitti schließlich zurück: „Wissen Sie, diese Art von Familie hatte ich bei Familientherapie nicht im Sinn.“ Zwar behauptet er, keine Motivation zu haben, ihn zu behandeln, doch die anfängliche Montage aus Szenen über Vittis psychische Probleme und Sobels versteckte Unzufriedenheit über seine als unwichtig und uninteressant inszenierten Patienten zeigt deutlich, was ihn an der Behandlung des Gangsters reizen könnte. So bietet sich für Sobel die Chance, sich nicht nur sich selbst, sondern darüber hinaus auch seinem berühmten Vater, der ebenfalls Psychoanalytiker ist, zu beweisen.

Sobels erste Zurückweisung bringt Vitti zum Weinen, wodurch Sobel in eine Position gerät, die ihm deutlich lieber ist. Nun ist er derjenige, der den Patienten auffordern kann, sich zu setzen. Vitti ist diesmal nicht nur von Sobels psychoanalytischen Fähigkeiten, sondern auch von seiner Direktheit begeistert: „Niemand traut sich, so mit mir zu reden!“ Letztendlich gelingt es Vitti hier, Sobels Zusage, nach der Rückkehr aus dem Urlaub ausschließlich ihn zu behandeln, zu bekommen.

 

Durch einen Mordanschlag auf Vitti wurde Sobels Hochzeit ruiniert, weshalb dessen Verlobte ihn unter Druck setzt, Vittis Behandlung zu beenden. Sobel muss also einen verkürzten Weg zur Problemlösung finden. Daher wendet er nun eine therapeutische Idee, die in der Mafiawelt aber nicht funktionieren wird, an. So soll Vitti seinen Widersacher Primo Sidone (Chazz Palminteri) anrufen, um zu erzählen, wie er sich fühle, damit sie eine konstruktive Lösung des Konflikts finden. Stattdessen führt das Telefonat aber zu einer komischen Situation, da diese Art der Konfliktlösung für Konflikte anderer Art, mit denen Sobel sich als Therapeut hauptsächlich beschäftigt hat, vorgesehen war, und nicht für Konflikte unter Gangstern.

Diese Aktion löst dabei bei Primo Irritationen aus und stößt auf Unverständnis. Als sich abzeichnet, dass Vitti sich in eine schwächere Position begibt, beginnt er, Primo zu beschimpfen, woraufhin dieser ihn zurückbeleidigt und auflegt. „Wie war ich?“, fragt Vitti nach dem Telefonat. Der resignierte Sobel greift einige von Vittis Beleidigungen auf: „Es lief ganz toll, bis zum Abreißen von seinen Eiern und der Verbringung in seinem… Arsch.“

Um Vittis Aggressionen zu bekämpfen, erzählt Sobel ihm, er schlage in solchen Situationen in ein Kopfkissen, woraufhin dieser seine Pistole zückt und mehrfach auf ein Kissen feuert; die Nachfrage, ob er sich nun besser fühle, bejaht er.

Doch nicht nur hier zeigt sich die Unvereinbarkeit der Praktiken des Psychotherapeuten mit der Realität seines ungewöhnlichen Patienten. Schon vor dem schlichtenden Gespräch gab es eine Szene, in der Sobel auf Vittis Vater zu sprechen kam. Noch belügt der Patient seinen Arzt bezüglich einiger wichtiger Dinge, die den Tod seines Vaters betreffen. Sobel tastet sich an das ihm noch unbekannte Thema heran und bringt auch den ödipalen Konflikt ins Gespräch, auf dessen Erklärung Vitti entsetzt reagiert: „Was… was soll das? Ich wollte meine Mutter ficken? Haben Sie meine Mutter mal gesehen? Sagen Sie mal, sind Sie völlig bescheuert?!“ Angewidert wendet er sich ab. Die Polemik in diesen beiden Szenen richtet sich zwar explizit gegen gewisse psychotherapeutische Muster, implizit aber auch gegen ihre Starrheit und die Häufigkeit dieser Deutungsversuche.

 


An diesen Witz über ein gängiges psychoanalytisches Motiv knüpft eine spätere Szene an, in der Sobel erneut Freud erwähnt. Vitti erwidert: „Ach, scheiß auf Freud. Seitdem ich von Freud weiß, das schwör‘ ich Ihnen, habe ich Angst, meine Mutter auch nur anzurufen.“

Sobel hatte einen Traum und vermutet, bei der Therapie dadurch auf die richtige Fährte zu gelangen. Diesmal dreht Vitti den Spieß allerdings um, was zunächst einem Witz über Sobel entwächst. Statt über Vittis, soll nun über Sobels Vater gesprochen werden. Als Vitti erfährt, dass dieser ebenfalls Psychiater ist, reagiert er überzogen: „Oh, alles klar. Deswegen sind Sie so im Arsch. Der nächste Patient, bitte!“ Im darauffolgenden Gespräch nimmt er genüsslich in Manier eines (Film-)Psychoanalytikers jedes Wort auseinander, mit dem Sobel das Gespräch über seinen Vater beenden möchte. Vitti hat genug Erfahrung gesammelt, um Psychoanalytiker zu spielen. Zugleich offenbart Vittis Sobel-Karikatur die stereotype Anlage von dessen Figur.

Es zeigt sich, dass der Therapeut empfindlich reagiert, wenn jemand versucht, ihn zu analysieren, wie es auch schon in einer Szene gegen Anfang der Fall war, als Michael, Sobels Sohn, das Verhalten seines Vaters auf dem Weg zu dessen Vater analysierte. Ohne die Bereitschaft, einen Analytiker in die Psyche eindringen zu lassen, wirken Psychoanalysen provokant und lösen eher Aggressionen aus, wie auch Primo gegen Ende erfährt.

Bei der großen Versammlung der Cosa Nostra muss Sobel für Vitti einspringen und dessen Consigliere spielen, da dieser, nachdem er am Vorabend zu einem unpassenden Zeitpunkt seinen kathartischen Moment hatte, noch immer daran arbeitet, seine persönliche Krise zu bewältigen. Bei den Problemen des einen geht es um die Überwindung persönlicher Krisen, bei denen des anderen um Leben und Tod: Kurz nach diesem kathartischen Moment findet ein Angriff von gegnerischen Gangstern statt, bei dem der in Tränen aufgelöste Vitti nicht in der Verfassung ist, das Feuer zu erwidern, was dazu führt, dass Sobel selbst die Rolle eines Gangsters übernehmen muss. Dem Mafioso bereitet es eine Freude, Psychoanalytiker zu spielen, um seinen Arzt zu provozieren, wohingegen der Arzt selbst nur ungern in die Rolle eines Gangsters schlüpft.

Zunächst tut Sobel sich im neuen Milieu schwer und imitiert das Verhalten anderer Gangster; als er anfängt, überzogen aufzutreten, beendet Jelly schnell diese Phase. Auch weiterhin gelingt es Sobel nicht, die Balance zwischen Anpassung und Übertreibung, oder auch zwischen dem gespielten Gangster und dem echten Psychoanalytiker, zu finden. Wirklich in seinem Element ist er erst, als er als Psychoanalytiker auftritt. Dabei strahlt er auch ein großes Selbstbewusstsein aus. Am Höhepunkt dieser Entwicklung steht ein Schlagabtausch zwischen Sobel und Primo, in dem Sobel für seine Analysen sogar Zustimmung von anderen Mafiosi erntet, wenn er folgenden Vorwurf als Frage formuliert an Primo richtet:  „Haben Sie das Gefühl, dass Sie erst wütend werden müssen, damit Ihre Mitmenschen Ihnen zuhören?“ Als Primo das Gespräch wieder auf Vitti lenken will, erkundigt sich Sobel, ob Primo sich als Person für zu unwichtig für Diskussionen halte, womit er den Konflikt zur Eskalation bringt. Erst der gerade rechtzeitig noch eintreffende Vitti kann die drohende Schießerei abwenden.

Sobel nutzt sein Fachkenntnisse, um seinen Gegner zu denunzieren, wobei ihm für seinen Erfolg die Fähigkeit, „die Spur des therapeutischen Gesprächs aufzunehmen; durch diese ganz spezielle, persönlich-artifizielle Weise des Sprechens, Überlegens und Zuhörens“, zugutekommt. Dadurch, dass er sich betont ruhig und gesammelt präsentiert und Primo zeigt, dass er als erfahrener Psychoanalytiker jedes Wort für Interpretationen, die seinen Gesprächspartner in ein schlechtes Licht rücken können, nutzen kann, gewinnt er zwar Oberhand, allerdings nur durch die provokante Wirkung seines Benehmens auf Personen, die keine Bereitschaft haben, Psychoanalysen über sich ergehen zu lassen. Jedoch kann eine Provokation in diesem Milieu gefährlich sein, weshalb nur jemand mit Erfahrung in diesem die Eskalation abwenden kann. Die Rettung in letzter Sekunde, ebenfalls ein genreunabhängiges dramaturgisches Klischee, erfolgt durch Vittis Eintreffen.

Dieser erklärt infolge der Therapie seinen Ausstieg aus dem Mafiageschäft. So sind beide durch diese Erfahrung innerlich gewachsen. Sobel tritt autoritärer auf und behandelt nun die banalen Probleme seiner Patienten auch als solche. Vitti ist endlich mit sich und der Welt in Einklang, sogar ohne auf eine nach Mafiamaßstäben ‚rechtmäßige‘ Rache für seinen ermordeten Freund zu sinnen. Er ist eine noch stärkere Persönlichkeit geworden. Sobel hat sich als starker Psychoanalytiker bewiesen, während er anfangs noch als schwacher inszeniert wurde.

 

Fazit

In Analyze This treffen zwei Welten aufeinander und parodieren sich durch diese Kollision gegenseitig. Die „vermeintliche Weltfremdheit der Therapeuten“ trifft auf eine Realität, in der keine Schwächen gezeigt werden dürfen.

Einige der humoristischen Situationen entwachsen diesem Zusammenprall, andere zielen direkter auf das jeweilige Genre ab. So gibt es zwar einige Witze direkt auf Kosten des jeweiligen Genres, interessanter sind aber jene, die sich durch den Genreclash ergeben: Im Gangstermilieu werden die Muster aus Sobels psychotherapeutischer Praxis ihrem Wertesystem entnommen und in eins, in dem sie an Sinn einbüßen, eingesetzt. Genauso passt der Mafioso Vitti nicht in die Welt der Psychotherapie und tut sich mit der Anpassung schwer. Das Verhältnis des einfachen, aber gebildeten Bürgers zum Gangster steht dabei in Spannung mit jener von Arzt und Patient. Durch diese Gegensätzlichkeit wird eine Überschreitung der Grenzen für beide Figuren notwendig, wodurch sich die Komik des Films entwickelt. Als diese Spannungen dadurch gelöst werden, dass die Figuren neue Erkenntnisse über ihren Horizont hinaus gesammelt haben werden – „Tausche Empfindsamkeit und emotionale Öffnung gegen einen Crash-Kurs fürs Überleben im Dschungel der Straßen“ – gibt es für beide die Möglichkeit, ihren richtigen Platz im jeweils ursprünglichen Herkunftsmilieu zu finden oder ihr Verhältnis zu diesem neu zu definieren.

Der Film zog die Fortsetzung Analyze That nach sich. Diese ist leider nicht mehr sehenswert. Sie hätte die Möglichkeit geboten, die Rollen von Therapeut und Patient umzudrehen, verliert sich aber in Handlungen, die für die Charakterentwicklung und das Verhältnis zwischen Mafiosi und Therapeut unerheblich sind.

Mit der US-Serie The Sopranos lief 1999-2007 ein weiteres und überaus erfolgreiches Mobster-on-the-couch-Format erfolgreich im Fernsehen.

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JH

 

PS: Mein nächster Beitrag beschäftigt sich mit der Dramatisierung von Geschichte, genauer gesagt deutscher Kolonialgeschichte, im geschichtswissenschaftlichen Diskurs. Mega-Beitrag incoming.

 

Lesekram

  • Gross: Der Psychotherapeut im Film.
  • Montage AV 13/1 2004
  • Poltrum (Hrsg.): Seelenkenner Psychoschurken. Psychotherapeuten und Psychiater in Film und Serie
  • Analyze This/Reine Nervensache
  • Analyze That/Reine Nervensache 2
  • The Sopranos

 

 

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