Goal! – The Dream
Begins
Fangen wir am Anfang an. Ganz am Anfang. Der erste Film der Goal-Reihe zeigt bereits von der ersten
Szene an, wo’s langgehen wird: Auf die Studio Production Logos folgen Aufnahmen
mit extremem Gelbstich, die fußballspielende Kinder zeigen. Der größte unter
ihnen dribbelt sich durch und schießt ein Tor. Ein Coca-Cola-Logo oder
dergleichen poppt leider nicht auf. Später gibt es eine Szene, die einen
ehrgeizigen jungen Sportler beim Training zeigen. Isoliert man sie vom Rest,
würden sie eine überzeugende Adidas-Werbung abgeben.
Diese Werbeclip-Ästhetik wird den ganzen Film nicht nur
optisch dominieren: Auch inhaltlich wird eine Story erzählt, die sich jedes
Kind auf dem Platz ertagträumen kann. Die Story ist simpel: Ein talentierter
junger Fußballer gescoutet und findet Glück im Spiel und in der Liebe. Die
Charaktere verdienen diese Bezeichnung dabei erst gar nicht, selbst wenn der
Film manchmal versucht, ihnen so etwas wie Tiefe zu geben. Trotzdem sollte hier
vielleicht kurz auf die Figurenkonstellation eingegangen werden:
Unser Held heißt Santi, der mit seiner Familie im
Kindesalter aus Mexiko in die USA eingewandert ist. Er ist nicht gänzlich
profillos, sondern kann einige „gute Eigenschaften“ aufweisen, die ihn natürlich
nicht gerade zu einer interessanten Figur machen. Insgesamt ist er sehr glatt.
Auf dem Platz muss er natürlich stets der beste Spieler sein. Seine
markantesten Qualitäten sind die folgenden: Er kann dribbeln wie ein Zwitter
aus Ronaldinho und Zidane, Traumtore schießen wie James und seine Gegenspieler
automatisch schlechter machen. Ist er mal nicht der beste, ist das „nicht seine
Schuld“: Bei Starkregen auf einem Matschplatz weiß er den nicht einmal
zuschauenden Klubchef von Newcastle nicht zu überzeugen. Sein Erster Einsatz
für die B-Elf dieses Vereins geht ebenfalls in die Hose, da ein untalentierter
und gehässiger Teamkollege ihm vor dem Spiel absichtlich auf das Asthmaspray
getrampelt ist – ja, Santi ist Asthmatiker.
Seine Familie besteht aus seinem kleinen Bruder, der lieb
ist, seiner nicht minder lieben Großmutti und schließlich seinem bösen Pappi. Dieser
will sein eigenes Kleinunternehmen gründen und hält nicht viel von Santis
großem Traum, Fußballstar zu werden; allerdings hat er ihn auch nie spielen
sehen. Später arbeitet er sogar gegen seinen Sohn und stiehlt ihm sein
Erspartes, mit dem Santi nach England reisen wollte. Seine liebe Großmutti
sorgt schließlich dafür, dass Santi über Mexiko-Stadt nach England reisen kann.
Trotzdem wird Santi Senior als einzige Figur eine Entwicklung durchlaufen: In
einer späteren Szene besucht er einen Pub in England, von wo aus er seinem Sohn
bei einem Spiel für Newcastle United zusieht und sich für ihn begeistert.
Dadurch, dass Santi nach dessen Tod davon erfährt, wird auch die Spannung in
ihrem Verhältnis zueinander postum aufgelöst. Vom Tod seines Vaters erfährt
Santi übrigens am Telefon. Der sadistische Teamkollege, der ihm früher noch auf
das Spray getrampelt war, fragt, was denn sei. Er habe einen Herzinfarkt,
antwortet Glen Foy, Santis Mentor. Ob er sich wieder erhole? „Er ist tot.“
Schnitt zurück zum Spieler. Auf diese Szene wird nicht wieder eingegangen
werden.
Dazu, dass Santi in England kickt, kommt es dadurch, dass er
vom Ex-MLS-Spieler Glen Foy gescoutet wurde. Glen muss sich, bis es soweit
kommt, dass Santi sich endlich im Verein hocharbeiten kann, noch mit viel
dramaturgischem Ballast herumplagen, der gerade in der ersten Hälfte des Films
zu einem enormen Hemmschuh für die Dynamik des Films wird.
Etwas überraschen konnte mich, dass Ms. Foy, Glens Tochter,
nicht mit Santi anbandelt. Santi verliebt sich in die Krankenschwester
(Fetisch?) des örtlichen Krankenhauses. Ihre Beziehung entwickelt sich, sagen
wir, auf eine Fortsetzung bedacht (wie auch seine sportliche Karriere). Es ist
noch nicht ganz klar, ob sie Santis feste Freundin wird, oder sie „nur Freunde“
sind; außerdem qualifiziert sich Newcastle am Ende des Films gerade mal für die
Champions League (und daran merkt man, dass es eben ein fiktionaler Film ist).
Der Traum wird also bei weitem nicht erfüllt sein. Ein Dauerpatient im
Krankenhaus ist übrigens ein alter Newcastle-Fan, der Santi mehrmals darum
bittet, Gavin Herris zu sagen, er sei „scheiße“.
Gavin „Gavino“ Harris ist ein am Anfang des Films zu
Newcastle gewechselter Starspieler Ende 20, der sich ohnehin mehr für weibliche
Bekanntschaften und das Nachtleben der Stadt interessiert als für den Fußball.
Ihm verdankt Santi seine zweite Chance nah seinem verpatzten Ersteinsatz
(Santis Reaktionen auf die „Asthmagate“-Ereignisse sind übrigens so irrational
und unnachvollziehbar, dass man merkt, was für Vorteile kurze Werbeclips mit
ähnlich tiefgründigen Charakterisierungen haben). Die beiden werden zu den
besten Freunden und durch die Moralpredigten des Coaches werden sie auch nicht
nur zu besseren Spielern, sondern verantwortungsvolleren Menschen.
Erzählt ist all das nicht besonders aufwendig. Während 2015
ein Film eines ambitionierten Dokumentarfilmers einige narrativ interessante
Momente vorzuweisen hat, bietet der Spielfilm Goal
zehn Jahre früher eine Aneinanderreihung von Gesprächsszenen mit vorhersehbarem
Musikeinsatz, die ab und zu von Montagen unterbrochen werden, die mit einem
Popsong unterlegt sind und die Fußballer beim trainieren oder spielen zeigen. Das
Herzstück der Filme sind aber natürlich die Szenen, in denen Fußball gespielt
wird und in denen diese Spiele größeren Raum einnehmen. Hier begibt sich die
Kamera auf den Platz, macht den Film-Zuschauer zu einer Art Phantom zwischen
den Spielern, das auf Augenhöhe mit den anderen ist. Manchmal werden in noch
näheren Detailaufnahmen laufende oder dribbelnde Füße gezeigt. Außerdem wird
gerne zu anderen Orten geschnitten: Zum Trainerteam, zu Besuchern eines Pubs,
die das Spiel am Fernseher verfolgen, zu den Stadionbesuchern, oder auch zu
anderen in der Handlung wichtigen Personen. Und für die besonderen Momente gibt
es dann dynamische Zeitlupenaufnahmen, mit denen für alle möglichen Produkte
geworben werden könnte, für die Fußballer Werbeverträge unterscheiben.
Eine Fortsetzung schon mit dem Filmtitel anzukündigen? Gar kein Problem. |
Dass die Amateure zu Beginn des Films gegen Santi ähnlich
stark verteidigen wie die Profis am Ende, ist dabei eines der Probleme, wenn
ein Film das „Erlebnis Fußball“ darstellen möchte, ohne sich für die Details
groß zu interessieren (was sich auch auf die gesamte Narration ausweiten
lässt). Am Ende des ersten Films haut Santi gegen Liverpool (in seiner
Paraderolle als Verlierer: Rafa Benítez!) einen Freistoß in die Ecke, die
eigentlich der Torwart absichern sollte. Das macht er eigentlich ja auch, durch
Schnitte und veränderte Kameraeinstellungen und Bildausschnitte wird er aber
woanders hin versetzt, sodass er nun in die Ecke springen muss, in der er
eigentlich ohnehin stehen sollte. Für den Drehtag wurde vermutlich das
Continuity-Girl freigestellt.
Diese Ästhetik ist man mittlerweile durch Sportübertragungen
und die Werbung eigentlich zu genüge gewohnt, doch Goal hat, neben einem in seiner Doppeldeutigkeit vollends
aufgehenden Filmtitel, hier eine weitere Stärke: Cameos! Rafa Benítez ist
natürlich nicht der einzige Premier-League-Star, der seinen Weg in den Film
findet. Für einige Momente kann daher hin und wieder etwas 2000er-Nostalgie
aufkommen, von der der Film profitiert. Das Highlight dieser Cameos ist auch
das Highlight des Films, als nach ca. 80 Minuten Laufzeit Gavino mit Santi einen Club besucht, wo sie erst auf Beckham,
dann noch auf „Gavinos Freunde“ Zizou und Raúl treffen. Es macht nicht nur
Spaß, den Real-Madrid-Stars bei putzigen Schauspielversuchen zuzuschauen, sonst
müsste die Fortsetzung ja ein Meisterwerk sein. Gavino kommentiert den Auftritt
der Stars damit, sie seien dort, um mit Werbung Geld zu verdienen. Angesichts
der sich sonst recht ernstnehmenden Story überrascht so viel Selbstironie dann
doch.
Und außer dem Eindringen von echten Kickern aus der
afilmischen Welt in die diegetische? Goal
bietet noch eine flache Story, stereotype Figuren, treibt diesen sogar noch
ihre Macken aus. Gewürzt wird das Ganze mit so viel Kitsch, Klischees und
Pathos, dass man meinen könnte, ein richtiges Spiel zu schauen. Dieses wäre
aber nicht nur genauso wie der Film 90 Minuten lang, sondern für Fußballfans
vermutlich unterhaltsamer.
-----
JA
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