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Donnerstag, 4. Oktober 2018

Hitler als Mensch


Der Untergang
Ich, wenn jemans sagt, dass er den Film noch nicht gesehen hat
Was die Popularität des Films Der Untergang mit Bruno Ganz als Adolf Hitler angeht, bin ich mir nicht ganz sicher (abseits des Memes). Sicher ist nur, dass es einer der besten deutschen Filme ist, die je gemacht wurden, weil es ein wichtiger Film ist. Er handelt von den letzten Tagen des 2. Weltkriegs und insbesondere von den Geschehnissen im Innern des Führerbunkers, wobei er sich auf das Zeitzeugnis seiner Sekretärin, Traudl Junge, stützt.
Was macht den Film so besonders? Gemäß des Zeitgeistes wird versucht, Hitler nicht als Parodie seiner selbst zu inszenieren, wie es oft der Fall ist (z.B. in Inglourius Bastards von Quentin Tarantino, wo es aber auch Sinn macht, womöglich die Szene mit Hitlers Wutrede aus Der Untergang zu parodieren). Stattdessen wird er „als Mensch“ dargestellt.
Wie geschieht dies? Beispiel: In der ersten Szene nach dem Prolog, in dem die Zeitzeugin Traudl Junge redet, präsentiert der Film eine Gruppe junger Frauen, die bei Nacht zur Jobbewerbung ins Führerhauptquartier kommen.
„Wie begrüßt man eigentlich den Führer?“, fragt eine Frau mit Berliner Dialekt. „Er wird Sie zuerst begrüßen, und Sie antworten dann einfach nur, ‚Heil, mein Führer.‘“ Wäre das schon einmal geklärt. Das endet damit, dass die ersten Frauen im Gespräch mit Hitler nach jedem Satz: „Heil, mein Führer“, sagen. „Das können Sie ruhig weglassen“, ist dessen Antwort darauf.
Traudl bekommt zunächst den Vorzug, weil sie aus München ist. Hitler lächelt. „Eine Münchnerin.“ Sie gehen in Hitlers Büro, er diktiert ihr einen Text, Traudl schreibt ihn auf der Schreibmaschine mit. „Ich mache bei meinen Diktaten selber so viele Fehler, so viele können Sie unmöglich machen“, beruhigt Hitler sie humorvoll. Dabei schreibt sie kaum ein Wort richtig. Hitler lächelt wieder. „Ich würde sagen, das probieren wir gleich nochmal.“


Wird Hitler etwa als guter Mensch dargestellt? Nein. In einem der spannendsten Gespräche des Films, zwischen Traudl und Eva Braun, nach ca. 100 Minuten, wird Hitler wie folgt charakterisiert: „Er kann so fürsorglich sein. Und dann wieder… sagt er so brutale Sachen.“ Eva: „Sie meinen, wenn er der Führer ist.“ Der Film versucht sich der Komplexität der Nazis und des NS anzunehmen, wie kaum ein Film zuvor.

Damit wird eine Entwicklung abgeschlossen, die seit den 1990ern existierte: Die NS-Dokumentationen orientierten sich zunehmend am Stil der Spielfilme, die Spielfilme wiederum an den Dokumentationen. Insbesondere in den Historytainmentformaten Prof. Guido Knopps wurde versucht, Hitler oder andere wichtige Personen des NS als Personen zu charakterisieren, was über ihre Funktion innerhalb des Systems hinausgeht. Das Spannende daran ist, wie gewöhnliche Personen innerhalb des menschenverachtenden und –vernichtenden Systems des nationalsozialistischen Faschismus agieren.
Hitler, wenn jemand sagt, dass er den Film noch nicht gesehen hat.
Ein Problem, mit dem sich Der Untergang konfrontiert, ist, dass es sich um eigentlich zwei Filme handelt: Der eine ist ein Kammerspiel im Bunker. Der andere ist ein Film über Berlin im Krieg. Hier treffen wir auf vernünftige Bürger und verblendete NS-Anhängern, darunter auch Kinder. Trotz und gerade wegen dieses Zwiespalts handelt es sich hier um einen der komplettesten, „rundesten“ Filme zu dieser Thematik.

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Roger Eberts Kritik zum Film:  Klick


JAH

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