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Donnerstag, 3. Dezember 2020

In-depth-Analyse: Moderne und elegante Narration

Sex und Gewalt in Thunderball

Um die Darstellung von Gewalt und Sex zu analysieren, teilen wir Narration hier in Handlung, Plot und Nutzung der technischen Eigenheiten des Kinos auf.  Nach David Bordwell sei die Narration im fiktionalen Film der Prozess, bei dem des Zuschauers gedankliche Konstruktion von Zusammenhängen in der Diegese (die fiktionale Welt, kn der die Handlung spielt) von der Interaktion zwischen der Plot (Dramaturgie) und der systematischen Nutzung der Filmtechnik gelenkt werde. Diese konstruierten Verbindungen fänden zwischen Kausalität, Raum und Zeit statt. Zur Kausalität zählten abstrakter auch Parallelismen dazu, bei denen die Verbindung allerdings nicht diegetisch kausal ist.

 

 

Die Darstellung von Sex und Gewalt in Thunderball

Thunderball ist der vierte Teil der James-Bond-Filmreihe und wurde im Jahr 1965 veröffentlicht. Der S.P.E.C.T.R.E.-Agent Emilio Largo (Adolfo Celi) stiehlt mit seinen Handlangern ein mit zwei Atombomben ausgestattetes Flugzeug, um die Nato zu erpressen. Geheimagent James Bond 007 (RIP Sean Connery, einer der 5 größten leading men der Filmgeschichte) spürt ihn auf den Bahamas auf, begibt sich auf die Suche nach den Bomben und kann seinen Gegner schließlich noch rechtzeitig stoppen. Eine vage Zusammenfassung der Filmhandlung sollte dabei ausreichen. Die einzelnen Handlungsepisoden sind eher lose miteinander verknüpft. Zwar weist die Handlung sequenzübergreifend durchaus Kausalität auf, jedoch ermöglicht die hier spezielle Form der Dynamik des Handlungsentwicklungsverlaufs auch eine eher isolierte Betrachtung der jeweiligen Handlungsschritte.

Hintergrund: Produktionsbedingungen für interessante Ideen

 

In den sechziger Jahren befand sich die US-amerikanische Filmindustrie in einer Phase des Umbruchs. Sie war gezwungen, auf die Veränderungen in dieser Zeit zu reagieren. Hierzu wurde u.a. in den Filmen der Einsatz visueller Reize verstärkt. Die Reaktionen auf die wirtschaftliche Situation waren somit auch künstlerischer Art.

In Korrelation dazu nahm die Macht der Filmkontrollbehörde ab, wodurch im klassischen Hollywood noch tabuisierte Themen in populäre Filme einzogen. Da sich die Filmkontrolle vor allem gegen Sex und Gewalt in Filmen richtete, wurde beides in der Folgezeit zunehmend direkter dargestellt. Resonanzstarke Filme, die sich in dieser Entstehungssituation als Produkte ihrer Zeit zeigen, waren die auch mit ihren Markenzeichen Sex und Gewalt populär gewordenen James-Bond-Filme, die zu den international erfolgreichsten britischen Filmen des Jahrzehnts gehörten.

Passenderweise bietet der erfolgreichste, Thunderball,  ein interessantes Beispiel für die Darstellung von Sex und Gewalt in dieser Situation: Durch die zu den USA unterschiedliche Arbeit der Filmkontrollbehörde im Vereinigten Königreich war für britische Produktionen ein  offenerer Umgang mit Themen und Motiven möglich, die in Hollywood, ggf. zumindest teilweise, noch problematisch waren, da die dortige Filmkontrolle durchaus noch aktiv arbeitete. Daher wird in diesem zweiteiligen Artikel analysiert werden, wie Thunderball Sex und Gewalt vor dem Hintergrund seiner Produktionsbedingungen darstellt, denn das Interesse gilt auch dem Verhältnis, d.h. dem Ineinandergreifen und den Spannungen, von diesen und der Ästhetik der Filme.

Bei der Gestaltung seiner Gewalt- und Sexszenen bewegt sich der Film im Spannungsfeld zwischen konventionsgemäßer und offensiver Darstellung, mit der er auf der Welle der Zeit sein, aber zugleich ein etwaiges Einschreiten der Filmkontrolle antizipieren kann.  Thunderball hält sich bei seiner Darstellung an die Konventionen, geht dabei aber unkonventionell vor. Dadurch, dass der Film von Filmtheoretikern und -historikern bislang kaum betrachtet oder aber nur im Zusammenhang mit seinem finanziellen Erfolg als britischer Film mit dem höchsten Einspielergebnis der Sechziger erwähnt worden ist, wird zusätzlich das Problem einer repetitiven Forschung vermieden, bei der kanonisierte Filme immer wieder unter denselben Gesichtspunkten untersucht werden, wegen derer sie kanonisiert wurden.