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Freitag, 5. Januar 2024

Zu schnell am Ziel

 

Baby Driver


Der junge Miles, wegen seines jungen Aussehens von allen nur Baby genannt, arbeitet als Fluchtwagenfahrer bei Raubüberfällen für den Gangboss Doc. Aus seiner Zeit als jugendlicher Autoknacker hat Baby bei Doc hohe Schulden, die er so abbezahlen will. Baby ist also gar kein Antiheld, er will eigentlich gar nicht in dieser Position sein. Der Film ist etwas zu unschuldig, zu naiv für den Realismus, um den er sich später bemühen wird.

Wegen seines Tinnitus trägt Baby fast immer Kopfhörer im Ohr und versucht mit der Musik auf seinen iPods das durchgehende Pfeifen zu übertönen. Der Film schneidet die Fahrsequenzen flüssig zu der Musik, wodurch sich sehr stilisierte Szenen ergeben.

Baby hat seine Schulden bei Doc fast abbezahlt und will sein kriminelles Leben hinter sich lassen, wozu ihm auch sein gehörloser Adoptivvater Joseph rät. Er verliebt sich in Debora, die als Kellnerin in einem Diner arbeitet, erzählt ihr jedoch nichts von seiner kriminellen Tätigkeit. Er deutet lediglich an, dass er als Fahrer arbeitet und lässt sie glauben, er würde Prominente chauffieren. Ihr Kennenlernen wird in einer Dialogszene erzählt, in der beide Figuren dasitzen und zwischen ihnen hin- und hergeschnitten wird. Die Szene wird zu lang und der Dialog zu belanglos. Man merkt, dass Autor und Regisseur eine Person sind.

Nach launigen 35 Minuten verliert der Film seinen Drive. Baby lässt seinen Job als Fluchtwagenfahrer hinter sich und verbringt Zeit mit einer Kellnerin, in die er sich verliebt hat. Dieses Gefühl basiert auf Gegenseitigkeit. Da wir auch schon die Geheimnisse um Babys Hintergrundgeschichte kennen, gibt es so zunächst keine neuen Konflikte.

Dann, nach 10 weiteren Minuten, hat Baby endlich seine Schulden abbezahlt. Doch da drängt Doc ihn durch offene Drohungen gegen ihn und seine Liebsten, weiter für ihn zu arbeiten. Genau an diesem Punkt stört mich der Film. Babys Ziel war, seine Schulden abzubezahlen, um auszusteigen und ein neues Leben mit seiner Freundin anzufangen. Dazu hatte er eine zunächst unklare Hintergrundgeschichte, die nun bereits gelüftet ist. Beide Handlungsstränge sind aufgelöst, der Film macht aber noch weiter. Baby hat jetzt eine Stunde Laufzeit Zeit, um aus einem Job auszusteigen, den er nicht machen will. Auch schade, dass er seine Interessen nicht durchzusetzen versucht. Also haben sie einen letzten Job zu erledigen...

Über den Film verteilen sich verschiedene Probleme: Sätze wie „I’m worried I’m not good enough for you“, dass Baby nicht nein zum Überfall sagt, als er die Wahl hat, wie eindimensional die Figuren sind, z. B. Buddy, dass Baby oft anscheinend nicht weiß, wie er reagieren soll, bzw. dass der Film konsequenterweise Babys Reifeprozess vom Jungen zum Mann erzählen hätte können, oder dass Probleme, die geklärt werden könnten, wenn einer Figur 10 Sekunden lang zugehört werden können, dadurch vom Film am Leben gehalten werden, dass Baby beispielsweise nicht gefragt wird, wer zuerst geschossen habe, oder dass der Film nicht mehr die Verspieltheit früherer Filme Edgar Wrights hat, wo, wenn der Waffenhändler von „ham“ redet, sicherlich zu John Hamm geschnitten werden würde.

Eine gelungene Sequenz gibt es, als der Überfall schiefgeht, die Gangster vor der Polizei fliehen müssen, und Baby seine Kopfhörer verliert. So muss er sich der Realität stellen, dem Chaos, der Zerstörung, die durch sein Handeln ausgelöst wird.

Am Ende wird Baby von der Polizei geschnappt und in einem Gerichtsverfahren verurteilt. Der Film versucht anscheinend, Baby für seine Vergehen zu bestrafen, was aber nicht ganz passend erscheint, da der Film zugleich auch sagt, dass Baby sich eigentlich nur als Jugendlicher schuldig gemacht hat und seitdem von Doc zu seiner Tätigkeit genötigt wurde.

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JH

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