Shin Godzilla
Ein Boot treibt auf dem Meer und wird von der Küstenwache
entdeckt. Eine Besatzung ist nicht an Bord, nur einige Gegenstände, durch die
es wirkt, als sei jemand abrupt von Bord gegangen. Andere Szene: In einem
Unterseetunnel strömt plötzlich blutrotes Wasser durch Risse und verursacht bei
den Autofahrern den Schock ihres Lebens – zumindest bis dahin. Bevor die
Politik weiß, wie sie reagieren soll, entwickelt sich die Geschichte weiter und
die Gefahr läuft aus dem Ruder…
Die japanische Produktion Shin
Godzilla, die hierzulande nur eine halbe Woche im Kino gezeigt wurde,
konnte ich dank eines Bekannten, der Freikarten gewonnen hat, ohne jegliches
Vorwissen oder Erwartungen schauen. Das war eine gute Ausgangslage, denn der
Film war skurril.
Narrativ ist der Film von Beginn an anstrengend, insb. im
ersten der drei Akte. Sein Dialogfokus ergibt dabei durchaus Sinn und
unterstützt die Geschichte. Glücklicherweise lief die größtenteils
lippensynchrone deutsche Fassung, ansonsten wäre es eher ein Leseabend im Kino
geworden.
Während dieses ersten Aktes fällt auch auf, dass irgendwas komisch
an dem Film ist, was sich dann entlädt, wenn nach ca. 30‘ das titelgebende
Monster erstmals gezeigt wird. Die Reaktion der Zuschauer auf den hier
vermutlich angestrebten Effekt wird auch für den restlichen Verlauf ein
positives Gefühl gegenüber dem Film nach sich ziehen, allerdings verschuldet es
auch eine schwächere Wirkung der ernsteren Szenen des dramaturgisch starken
3-Akters, da der Film seine Balance verliert. Spoiler: Seine Balance zwischen
Humor und Ernsthaftigkeit.
Stärker im Gedächtnis bleiben werden von diesem Film
vermutlich zwei Dinge:
- Zum Einen die Idee, die der Film für Godzilla hat. Sie ist originell und vollzieht jene Entwicklung mit, bzw. bestimmt sie erst, die den Ton des Films wandeln wird. Im Grunde bezieht der Film einige seiner Stärken aus den Verweisen auf die Katastrophe von Fukushima, womit er sich traditionell an den Klassiker von 1954 anknüpft, der auch durch starke Bezüge zur zeitnahen Nuklearkatastrophe von Hiroshima und Nagasaki aufweist. Hier entwickelt Godzilla sich quasi zur fleischgewordenen Nuklearwaffe, bzw. indirekt zu einer tickenden Nuklearzeitbombe.
- Und Zweitens, wie satirisch bissig der Film daherkommt, was bereits besonders stark im Set-Up in Akt I, der das komplette Versagen des bürokratischen Apparats zeigt, als ein Meeting auf das nächste Meeting folgt, wobei diese Meetings eher wie ein Ritual statt lösungsorientiert ablaufen, gezeigt wird. Der Spott gegen lahme Bürokraten, die nur labern, statt zu handeln, wird im Premierminister mit seiner fast schon zur Catchphrase werdenden Phrase: „Ich verstehe“, die man zuweilen doch stark anzweifeln muss, personifiziert. Um ihn herum sind Personen verschiedener Zugehörigkeiten, durch deren politischen Einfluss persönliche Machtinteressen über das Schicksal der japanischen Bevölkerung entscheiden.
Hoffentlich inspiriert Shin
Godzilla, ohne zur Schablone zu werden, da er selbst in vielen Dingen
unrund ist. Seine sprudelnde Originalität, angefangen beim putzig-trashigen
Look des Monsters beim ersten Auftritt und seiner grauenvoll zerstörerischen
Gewalt im späteren Verlauf, ist des Films größtes Plus. Auch sein erfrischend unamerikanisches
Schnittsystem fällt auf. Das größte Minus hingegen ist wohl die fehlende
Balance zwischen absurdem Humor und ernsten Stellen mit dramatischer Wirkung;
und, ja, die Amerikanerin nervt. Vielleicht soll die comichaft stereotype Rolle
ja die Skurrilität des Films verstärken.
Im Kino läuft Shin Godzilla nicht mehr. Wer sich selbst einen Gefallen tun kann/will,
sollte zusehen, dass er/sie/es den Film auf der Nippon Connection zu
sehen bekommt.
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JAH
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