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Samstag, 5. August 2017

Kriegsthriller in Meeresgrün



Dunkirk
Das britische Lächeln

Der erste Teaser zu Christopher Nolans neuem Film lag ziemlich genau ein Jahr zurück, als ich gestern im Kino Dunkirk geschaut habe.  Einige der Schwächen, die ich mir aus dem Projekt erwartet habe, trafen auch tatsächlich zu. Doch beginnen wir von vorn.
Der Film öffnet mit einem meeresgrün eingefärbten Vogo. Tatsächlich wird diese Farbe bald alles dominieren. Das allgegenwärtige Meer zwischen England und Dünkirchen, die meeresgrünen Reflexionen an weißen Farben auf Schiffen, oder einfach alles andere auch, ab dem ersten Angriff auf die an Land stationierten Soldaten, die auf ihre Abreise warten.

Dafür, dass Nolan den Film größtenteils über seine Figuren erzählt, sind diese erschreckend profillos. Es stört nicht das Fehlen von Hintergrundgeschichten über sie o.ä., sondern das Fehlen markanter Charaktereigenschaften. Die episodische Erzählweise verschärft dieses Problem noch, da die Anzahl handelnder Figuren (oder besser Schablonen) schwach eingegrenzt ist.

All das führt gegen Ende zu einer kammerspielartigen Situation, in der eine Gruppe Soldaten am Strand ein Boot gefunden hat, in dem sie sich nun versteckt, um auf die Flut zu warten und aus Dünkirchen zu fliehen. Es machen sich Konflikte unter ihnen breit, denen jegliche dramaturgische Substanz fehlt, da die Personen erst seit zwei, drei Szenen Teil der Handlung sind. Dramaturgisch ist das schlecht für den Film. Auch an anderen Stellen leidet die Spannung darunter, da unklar bleibt, ob die Person gerettet wird, oder sterben muss. Vermutlich verlässt Nolan sich hier auf die Sympathie zu Personen in Not; tatsächlich kann Dunkirk einen aber diesbezüglich kalt lassen. Ein anderes Problem ist die Vorhersehbarkeit von Handlungsabläufen, wenn der Film sich an Foreshadowing versucht.

Wenn wir schon bei dramaturgischen Schwächen sind, müssen zwei noch genannt werden: Die Musik und das Ende. Dass der Film dauerhaft mit Musik unterlegt ist, auch an Stellen, an denen ein Musikeinsatz überhaupt keinen Sinn macht, ist natürlich nicht gerade vorteilhaft. So wechselten sich bereits in der Szene des ersten Fliegerangriffs auf den Strand starke Elemente (es gibt eine schöne Aufnahme mit spannender Nutzung der Bildtiefe) mit schwachen (die Musik, die, obwohl sie von hans Zimmer stammt, nicht auf dem Niveau seiner vorherigen Arbeiten (für Nolan) ist).

Jetzt zum Ende: Dieses ist kitschig pathetisch, inklusive eines Voice-Overs der ebenso pathetischen Churchill-Rede. In Nolans Filmen war der Einsatz von Pathos bereits öfter problematisch, etwa in den Batman-Filmen mit realistischerer Herangehensweise. Hier passt das Ende auch nicht zum ansonsten kühlen Film, der bis dahin an allen anderen Dingen interessiert ist, als die Flucht als einen Sieg zu inszenieren. Wäre der Film hier nicht abgedriftet, so hätte er dies als Erfolg verbuchen können, zumal es für die Fokussetzung ja bereits durchaus sinnvoll war, darauf zu verzichten, die Situation des Films als Kampf zu inszenieren, sondern eher als Angriffswellen, die abgewehrt werden müssen  und denen entkommen werden muss. So werden auch erst am Ende Wehrmachtssoldaten gezeigt, die in unscharfe Bildbereiche laufen, um den von Tom Hardy gespielten Piloten gefangen zu nehmen.  Von diesem hätte auch ein Selbstopfer-Absturz in Wehrmachtssoldaten erwartet werden können, wäre der Film nicht insgesamt nüchterner angelegt; so besteht das Selbstopfer aus dem Kampf ohne Widerkehr. Dabei sind die Piloten auch einige der wenigen, die tatsächlich kämpfen. Für die meisten Soldaten besteht die Arbeit hier nicht im Kampf, sondern im Überleben.  
Erschwerend kommt dabei auch hinzu, dass die historischen Ereignisse weder eine barocke Stillstandssituation noch eine Entwicklung von Handlungsdynamik erlauben, was gepaart mit den Problemen der Narration etwas größere Auswirkungen hat.

Vorteilhaft hingegen ist es, wie immer parallel in den Handlungssträngen nach Fristen gesucht wird, um so parallel die Spannung zu erhöhen, die auch in die anderen Handlungsstränge hineinwirkt, wobei der Suspense eher selten wirklich ausgereizt wird. Ein Stück weit steht der Film sich hier auch mit seiner narrativen Herangehensweise im Weg.

Bedeutung in Nolans Werk

Hört gerne Hans Zimmers Musik mit fettem Beat: Christopher Nolan

Nolans charakteristisches narratives Stilmittel, bei dem er Szenen aus verschiedenen Orten im diegetischen Raum, in denen unterschiedliche Zeitabläufe gelten, durch eine Parallelmontage eng aneinanderknüpft und zwischen ihnen so hin- und her wechselt, dass die Spannung in der filmophanischen Zeit parallel zueinander steigt, kommt natürlich auch in Dunkirk zum Einsatz, bzw. auch dieser Film ist um dieses Schema herum aufgebaut. Wie stellt der Film das an?

Die Antwort ist relativ simpel. Die drei verschiedenen Orte werden gezeigt und eine Schrifteinblendung verrät, um welchen Handlungsort es sich handelt und wie groß die Zeitspanne ist. Am Strand bei den Soldaten, die auf die Abreise warten, ist beträgt sie eine Woche; auf einem zivilen Boot, das von England nach Dünkirchen reist, einen Tag; und in der Luft, wo die britische Luftwaffe gegen die deutsche kämpft, eine Stunde.

Aus der Handlung heraus gibt es für diese komplizierte Herangehensweise überhaupt keinen Grund. Das Stilmittel wird hier eher um seiner selbst willen eingesetzt, was narrativ schlecht ist. Die künstlerische Vision des Regisseurs wurde dahingehend vermutlich am stärksten in Inception verwirklicht, wo es nicht darum ging, ein Abenteuer in Traumwelten zu erzählen, sondern die Traum-im-Traum-Struktur Nolan erlaubt, eine Handlungsebene in eine andere einzubetten, wobei in beiden die Zeit unterschiedlich schnell abläuft.

Damit möchte ich nicht sagen, dass Inception Nolans stärkster ist. Hier erhöhte sich der Pathos gegen Ende ebenso immens wie in allen folgenden Filmen. Auf der Suche nach der idealen künstlerischen Entfaltung hat Nolan dabei einige kleine, feine Filme gedreht, in denen die narrative Herangehensweise aus der Handlung selbst heraus motiviert wird und auch das spätere Pathos in der Form noch nicht vorliegt. Vermutlich waren daher The Prestige und natürlich Memento die Höhepunkte in Nolans Werk.

Seit dem stark gehypten The Dark Knight verzeichnet sich ohnehin ein künstlerischer Niedergang bei Nolan. Mit Interstellar konnte ich durch mein Interesse für den Weltraum, sowohl dieses Sonnensystem als auch weit entfernte interstellare Räume, als Handlungsort etwas anfangen, woran hingegen Dunkirk seit seiner Bekanntmachung scheitert. Der Kriegsthriller ist auf der Ebene der impliziten Dramaturgie dazu noch schwach ausgestaltet.



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JAH

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