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Montag, 20. Mai 2019

"Framing" bei Buster Keaton




Bei Buster Keaton kommt dem Framing eine entscheidende Rolle für die Präsentation von Sensationen und Gags zu. Ereignisse werden nämlich nicht nur durch Montagen konstruiert präsentiert, sondern gezeigt.
Von Anfang an zeigt sich eine systematische Nutzung des Framings in vielen Momenten: Die ihm zukommenden Funktionen sind die Dokumentation von Spektakel und Stunts, wobei hier auch Tricks eingesetzt werden, die Wissensaufteilung zwischen den Personen in der Diegese und den Zuschauern sowie einige gängige Funktionen.

Die wichtigste Funktion ist dabei die Dokumentation von Stunts und Spektakel. Hierzu wird die Kamera in Relation zu den Personen bzw. dem Geschehen so positioniert, dass alles Relevante im Bild ist. Die Kamera ist also auf so großer Distanz wie nötig, aber dennoch so nah wie möglich am Geschehen.
Ein Beispiel hierfür bietet sein Film Neighbors: In einer Sequenz gibt es ein artistisches Kunststück, als drei Personen aus Fenstern dreier Stockwerke klettern, sich aufeinander stellen und der unterste sich dann bewegt.
Die drei Fenster, aus denen sie ursprünglich aussteigen, sind links außen; die drei Fenster, in die sie einsteigen, rechts außen. Somit ist keine Kamerabewegung notwendig; das Framing ist starr. Später trägt der von Buster Keaton gespielte Protagonist sogar noch eine Person, die Frau, die er in dem Film heiraten will.
Durch die Distanz des Extreme Long Shot wird hier auch ein Trick ermöglicht. Im Verlauf der Sequenz geht dabei zunächst der mittlere Artist und danach der unterste durch Hindernisse verloren, sodass Buster erst auf dem untersten Artisten und dann auf seinen Füßen landet, ohne die Frau, die er trägt, loszulassen. In den entsprechenden Shots wird das Geschehen dokumentiert, statt etwa über eine Montage konstruiert.
Ein anderes Beispiel bietet The Paleface, wo Buster einen Hang herunterstürzt, danach ein Fels als Schanze dient, von der Buster an eine Palme fliegt und sich dort festhält. Seine seltsame Flugbahn deutet aber auf einen Trick hin.
Auch in Daydreams lassen sich solche Shots finden: In einer Sequenz hält Buster sich an einer schnell fahrenden Straßenbahn fest, wodurch er zunächst durch die Luft „flattert“.
Auch hier ist es möglich, dass durch in der Bewegung kaum sichtbare, sondern eher vermutbare Schnitte eingesetzt wurden, um für das Bild, in dem seine Beine im Fahrtwind flattern, einen Trick einzusetzen. Durch die Bewegung ist dieser Trick auch verschleiert. Hier geht es aber vor allem um den Stunt; Tricks in Shots und beim Editing werden im späteren Verlauf dieser Arbeit noch behandelt werden.
Zur Dokumentation von Spektakel zählen auch Massenszenen oder die Interaktion mit Tieren. Das passendste Beispiel für eine solche Massenszene finden sich in Cops, wo es erst eine große Polizeiparade gibt, dann eine Verfolgungsjagd, in der eine Vielzahl von Polizisten hinter dem Protagonisten her ist. Die Shots dauern oft länger, um die Menge an Polizisten zur Geltung kommen zu lassen.
Beispiele für die Interaktion mit Tieren bieten die Filme The Blacksmith und The Balloonatic: In ersterem unterhält sich der Protagonist mit einem Pferd, um dieses gemäß seines „analogisierenden und parallelisierenden Verhaltens“ (Wolfram Schütte)  wie ein Schuhverkäufer zu beraten. Das Pferd schüttelt entweder den Kopf oder nickt, als verstünde es ihn. Auch dies wird je in einem Shot gezeigt.
In The Balloonatic sind die Figuren mit grundsätzlich gefährlicheren Tieren im Bild. Einmal fühlt sich die wichtigste weibliche Nebenfigur des Films von einem Bullen bedroht. Ein anderes Mal folgt ein Bär Buster, welcher auf einen weiteren Bären trifft und diesen mit seinem Gewehr niederschlägt, wobei sich ein Schuss löst, der den verfolgenden Bären trifft.
Ebenfalls wichtig ist in Buster Keatons Filmen, die Funktionen von Maschinen zu zeigen. In The Boat werden z.B. der Mast und alle weiteren an Deck herausragenden Dinge so geneigt, dass das titelgebende Boot unter einer niedrigen Brücke hindurchfahren kann.
Auch in The Scarecrow, einem frühen Film Keatons, in dem bereits die systematische Nutzung von Editing und Framing u.a. für Gags umgesetzt wird, gibt es am Anfang eine mehrminütige Sequenz, in der gezeigt wird, wie die von Keaton und Joe Roberts, Keatons wichtigster Nebendarsteller und oft Antagonist in den Kurzfilmen, gespielten Figuren in ihrem kleinen Haus Gebrauchsgegenstände nutzen, die so umgebaut wurden, dass sie mehrere Funktionen zugleich erfüllen.

Dazu kommen gelingende Kleinigkeiten wie etwa in The High Sign, als Buster seinen Hut an einen Ständer wirft, ohne hinzuschauen. Diese Art von Gag erinnert zugleich an die Filme Roscoe Arbuckles, unter dessen Regie Keaton im Film The Butcher Boy debütierte, wo es nach wenigen Minuten auch einige Beispiele für ähnliche Aktionen gibt. Arbuckles „Kino der Präsenz“ ist allerdings bei größeren Stunts ein durch die Montage konstruiertes, während solche bei Keaton im Profilmischen präzise getimt sind und es so oft Long Shots oder Extreme Long Shots aus einer geeigneten Kameraeinstellung gibt, die das ganze Geschehen auf einmal zeigen, während es vorher einige nähere Aufnahmen gegeben hat, durch die auf Details der Aktion hingewiesen worden ist.
Dieser Exkurs soll nun kurz an einem Beispiel vertieft werden: In The Hayseed gibt es eine Sequenz, in der Buster von einer Leiter in die Kutsche des von Arbuckle gespielten Protagonisten fällt. Hierzu werden die folgenden Shots eingesetzt: Erst eine Aufnahme von Arbuckles Figur, dann Buster auf dem Dach, dann als Extreme Long Shot, wie zwei Personen dessen Leiter kippen, dann seine Landung als Long Shot.
Gemäß Keatons Strategie stünde am Ende statt zwei Shots nur einer aus größerer Distanz, in dem die Bewegungen der Personen für den Dreh genau abgestimmt hätten sein müssen. Sowohl die Geschwindigkeit der Kutsche als auch der fallenden Leiter hätten berücksichtigt werden müssen, damit Keaton genau auf dem Platz neben Arbuckle landet. Während Arbuckles Präsenzkino somit begrenzter ist, ist für Keatons eine akribische Planung sowie Präzision notwendig, die häufig zu Einstellungen mit größerer Distanz zwischen Kamera und Personen führt. Keaton selbst beschrieb diese Tendenz in seinen Filmen wie folgt: „Wenn ich einen Gag habe, der sich entwickelt, mag ich nicht gern gleich dicht herangehen mit der Kamera. […] Nahaufnahmen stören auf der Leinwand.“
Einen letzten Punkt stellen surreale Gags dar: Man sieht, dass ein Trick angewandt wurde, kann ihn aber nicht erklären.
Solche finden sich bei Keaton etwa in The High Sign: Dort malt die Buster einen Haken an die Wand und hängt kurz darauf seinen Hut dort an. Im zweiten möglichen Beispiel, The Haunted House, drückt Buster seinen Gehstock an die Wand, wo er haften bleibt, um dann ebenfalls als Haken für den Hut zu dienen.
Diese Gags bezeichnete Keaton selbst als die „unmöglichen, dass heißt phantastischen Gags“ (Autobiographie); in den Langfilmen sollten sie nicht mehr vorkommen.
Für Tricks nutzt Keaton somit auch oft einen Shot ohne Schnitt statt mehrere mit Schnitten. Das populärste Beispiel aus seiner Kurzfilmzeit dürfte die erste Hälfte seines Films The Playhouse darstellen, wo er selbst gleich mehrfach im Bild ist und die verschiedenen Figuren sogar miteinander interagieren.
Simplere Tricks entstehen etwa durch eine gekippte Kamera in The Boat, wo auch das Zusammenspiel mit der Montage den Gag unterstützt: In einer Szene wird im Boot alles nach hinten gekippt, als fahre das Boot einen Hang hinauf. Es folgt ein Schnitt zu einem gekippten Bild, das den Eindruck erweckt, dies geschehe tatsächlich.
Dasselbe geschieht im Anschluss daran auch noch einmal in die andere Richtung: Nun fährt das Boot in der Diegese eine Steigung herunter, was durch die den Zuschauern schon in den ersten Sekunden des Films offenbarte Technik (dazu später mehr) im ersten und durch ein gekipptes Kamerabild im zweiten Shot dargestellt wird.
In anderen Fällen ermöglicht eine sehr große Distanz in einem Extreme Long Shot den Einsatz von Dummys. Solche finden sich in den Filmen The Paleface und The Love Nest: In ersterem wird Buster in einer Szene verbrannt. Hierzu wird er in Medium Shots gezeigt, bei denen das Feuer nur im Vordergrund brennt, also ebenfalls getrickst wurde; später gibt es davon auch eine Aufnahme in einem Extreme Long Shot, in dem sich die Person nicht bewegt.

Auch in The Love Nest werden erst etwas nähere, dann viel weitere Shots, die Buster zeigen, kombiniert, um zu zeigen, wie ein Marineschiff die Zielscheibe abschießt, auf die sich Buster zum Angeln gesetzt hat.
In The Love nest wird der Trick dabei durch Schnitte zu näheren Aufnahmen unterstützt, die zeigen sollen, wie der Protagonist in die Höhe fliegt und wieder herunter fällt. Da sein Fallverhalten dabei nicht physikalischen Gesetzten entspricht, lässt sich hier leicht erkennen, dass vermutlich zu humoristischen Zwecken getrickst wurde.
In den gerade genannten Beispielen aus The Boat, The Paleface und The Love Nest wird der Effekt, der durch die Tricks erreicht werden soll, auch mit einer Montage kombiniert. Hier zeigt sich, dass die untersuchten Funktionen nicht klar voneinander trennbar sind und sich stellenweise überschneiden. Dennoch bleibt es sinnvoll, beides separat zu analysieren.
Neben der Dokumentation oder dem scheinbaren Einsatz von Stunts ist die zweite wichtige Aufgabe des Framings die Fokalisierung. Dieser Begriff beschreibt die Aufteilung von Wissensständen in narrativen Kunstformen. Dabei geht es um die Aufteilung von Wissen zwischen den diegetischen Figuren untereinander sowie den Zuschauern. Der Begriff der Fokalisierung stammt von Gérard Genette, der zwischen vier verschiedenen Fokalisierungstypen unterscheidet:
Bei der internen Fokalisierung werde aus der Sicht einer bestimmten Figur erzählt, deren Gedankengänge die Erzählung mit den Zuschauern teile. Bei der externen Fokalisierung hingegen werde eine Figur ‚von außen‘ betrachtet; ihre inneren Gedankengänge würden nicht mitgeteilt, sondern blieben geheim. Mischformen bei mehreren Figuren biete die Nullfokalisierung, wobei hin- und hergewechselt werde: Verschiedene Figuren würden teils intern, teils extern fokalisiert; in der Literatur entspräche dies dem allwissenden Erzähler. Wird ein Ereignis aus mehreren Perspektiven geschildert, nutzt Genette den Begriff der multiplen Fokalisierung; so zeigten sich Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten oder Unterschiede in der Wahrnehmung der Figuren. Diese Kategorisierungen sollten aber nicht als starr verstanden werden, sondern könnten auch innerhalb eines Werkes variieren.
Genettes Theorie ist zwar auf die Literatur ausgerichtet, lässt sich aber auch auf den Film anwenden. Dabei findet ein Transfer statt. Wichtig dabei ist, dass die Narration durch filmische Mittel erfolgt, wodurch die Fokalisierung auch „halbsubjektiv“ (Edward Branigan) sein kann.
Für Szenen, in denen das Wissen der Zuschauer dem des Protagonisten oder anderer Figuren entspricht, bietet The Goat ein passendes Beispiel: Während einer Verfolgungsjagd setzt sich Buster in den scheinbaren Ersatzreifen eines Autos. Als dieses losfährt, bleibt Buster jedoch an seiner Stelle. Es stellt sich heraus, dass der Reifen aufgestellt war und nicht zum Auto gehörte. Am Reifen hängt ein Schild, dss er umdreht und der Text darauf, „Vulcanizing“, für ihn und die Zuschauer sichtbar wird. Mit dem aufgestellten Reifen wurde also bloß für Reparaturen geworben.
Im zweidimensionalen filmophanischen Bild ist nicht auf Anhieb erkennbar, dass der Reifen nicht zum Auto gehört, obschon der Protagonist es in der dreidimensionalen diegetischen Welt hätte sehen müssen. Doch Keatons Filme spielen oft mit dem Verhältnis zwischen zweidimensionalem Bild und diegetischem Raum, was sich auch in anderen Beispielen zeigt: In The Love Nest ist Buster seit einiger Zeit in einem kleinen Boot unterwegs und glaubt offenbar, er sei nun auf offener See verloren. Als eine Frau vorbeischwimmt, steht er auf und schaut sich um. Von einem Shot in näherer Long-Shot-Distanz wird zu einem Extreme Long Shot gewechselt, der zeigt, dass Buster sein Boot nicht losgebunden hatte und daher noch immer am Dock liegt.
Dabei geht das Blickfeld der Personen oft nicht über den Bildrand hinaus, worin sich zeigt, dass die diegetische Welt in Keatons Filmen eine eigene filmische darstellt und keine afilmisch realistische nachahmt. Es erscheint daher passender, bei Keaton von einer ‚filmischen Surrealität‘ zu sprechen.
Diese zeigt sich auch in anderen Filmen, wenn mit dem Verhältnis vom zweidimensionalen filmophanischen Bild zur Tiefe der diegetischen Welt gespielt wird. Obwohl Figuren sich dann in der Tiefe bewegen, gibt es diese anscheinend dennoch nicht: So entstehen Situationen wie in The Scarecrow, als die Hauptfigur sich auf der Flucht vor ihren Verfolgern als Vogelscheuche verkleidet. Einer der Verfolger rennt dann an ihrer Vorderseite vorbei, sodass er das Gesicht der Vogelscheuche hätte sehen können; in einem filmischen Universum, in dem Personen aber nur so viel sehen, wie die Zuschauer, kann er in der Vogelscheuche den Protagonisten jedoch nicht erkennen. Dies ist in diesem Beispiel allerdings noch nicht so stark ausgereift wie später, weil hier eine Figur in Eile ist und so womöglich das, was sie in der Tiefe hätte sehen können, übersieht.
In The Playhouse findet ein solcher Moment in Verbindung mit einem Bühnenakt statt, bevor er in The Paleface in die diegetische Realität einzieht. Während des Bühnenaktes übersieht Buster in ersterem Beispiel, dass sich in der Tiefe des Raumes mehrere kleinere Personen hinter einer größeren verstecken, obwohl er seitlich, nicht frontal, auf sie schaut. In The Paleface ist ein solches Übersehen nicht mehr ein womöglich intendierter Teil einer diegetischen Show. Buster will sich auf ein Pferd aufsetzen, endet aber falschherum auf einem anderen Pferd sitzend, das hinter dem sichtbaren Pferd versteckt war und daher von den Zuschauern und so auch von der Figur in der Diegese nicht gesehen werden konnte.
In einer afilmischen Realität könnte so etwas nicht passieren, da die Person ein anderes Blickfeld hätte, als jemand aus der Kameraperspektive. Um seine filmische diegetische Surrealität zu kreieren, wurden diesmal somit Blickrichtungen und –barrieren verwendet, die Keatons Filme auch an anderen Stellen fokalisierend einsetzen. Dort ist die Handlung aber wieder realistischer.
In Cops gibt es etwa die folgende Szene, in der die von Joe Roberts gespielte Figur per Auto herbeigefahren wird, um Buster aufzusuchen.  Als das Auto wegfährt, ist dieser jedoch schon verschwunden, da er im richtigen Moment ins Auto eingestiegen ist. Dies wurde nicht gezeigt, sodass sein Verschwinden zwar überraschend, aber logisch erklärbar ist.
Die Aufteilung von Wissen zwischen den Figuren untereinander sowie zwischen diesen und den Zuschauern kann dabei insgesamt variieren. Je nach Sequenz können auch Protagonist und die Zuschauer mehr wissen als andere Figuren, andere Figuren und die Zuschauer mehr als der Protagonist, usw. Hat der Protagonist einen Wissensnachteil, wird Suspense erzeugt.
Ein Beispiel hierfür bietet ein Shot aus The Frozen North, wo Busters Blickrichtung vom Geschehen abgewandt ist, das für die Zuschauer durch einen Kameraschwenk offenbart wird, als ein Bär hinter ihm auftaucht. Statt eines Schnitts wird somit ein mobiles Framing genutzt. Durch den Schwenk wird mehr vom Raum gezeigt und der Informationswert erhöht.
Zugleich zeigt sich hier, dass sich auch Funktionen überschneiden können. Dies ist jedoch recht selten der Fall, oft nur in Überschneidung einer Hauptfunktion (Spektakel, Suspense) mit einer Nebenfunktion, vor allem Bildstrukturen; hierzu später mehr.
In der Regel nutzt Keaton im Gegensatz zum obigen Beispiel eher ein starres Framing. Darin können dann Blickrichtungen und –barrieren genutzt werden, wie in folgendem Shot, der allerdings auch von mehreren Shots zu Details der Szene unterbrochen wird und sich somit schon in der Schnittmenge zum Kapitel über das Editing befindet: In  The Goat  wurde Buster von einer Bekanntschaft zum Essen eingeladen und diniert nun, wie sich herausstellt, u.a. mit seinem von Joe Roberts gespielten Gegenspieler in diesem Film. Diesmal haben die Zuschauer einen größeren Wissensvorsprung als im obigen Beispiel, da ihnen dort erst der Schwenk weitere Informationen zugänglich gemacht hat, worauf eine schnelle Auflösung der Wissensungleichheit gefolgt ist; hier gibt es eine längere Sequenz mit Suspense und einen Shot ohne Schnitt, der am Ende der Sequenz steht und durch die Montage vorher vorbereitet wurde.
 


In einigen sonstigen Punkten ist Keatons Framing insofern konventionell, dass nur Relevantes ins Bild gesetzt wird und alles weitere ins Off. Dass dies auch humoristische Funktionen haben kann, zeigt ein Shot aus The High Sign: Buster soll Leibwächter eines Mannes werden. Dabei wird er vor allem von dessen Tochter überzeugt. Ihre Verhandlung wird u.a. in einem Shot gezeigt, in dem nur sie und Buster im Bild sind und später die Hand des Mannes ins Bild kommt; die eigentliche Motivation für die Arbeit ist demnach offenbar die junge Frau.
Jemanden beschützen und gleichzeitig umbringen müssen? Für sie kein Problem.
Zudem wird durch ein womöglich anfangs noch unpassend erscheinendes Framing gegebenenfalls die spätere Bildentwicklung antizipiert, statt sie in den entsprechenden Momenten durch Kamerabewegungen anzupassen. Dies zeigt sich etwa in One Week: Hier wirkt es, als ließe die Kamerapositionierung zu viel freien Raum rechts, doch im späteren Verlauf wird die dort liegende Fußmatte noch wichtig.
Ein anderes Beispiel bietet ein Shot aus The High Sign: Zunächst wirkt das Bild unbalanciert und es ist unklar, wieso der viele Raum hinter der Person das Bild in der linken Hälfte füllt. Erst später, als die Person im Bild ihre Positionierung anpasst, erklärt sich der Sinn der Setzung des Bildrahmens.



 
In Keatons frühen Werken ist das Framing dadurch teilweise noch irritierend. In späteren Filmen lässt die Kameraeinstellung hingegen nicht mehr zunächst etwas zu viel Raum an Stellen, wo sie diesen erst später braucht, um ihn später zu füllen.
Keaton, der gemäß seinem Stil öfter zu größeren Distanzen zwischen der Kamera und den gefilmten Personen neigt, entscheidet sich so auch an solchen Stellen zu dokumentarisch anmutenden distanzierteren Shots, nimmt also ein unbalanciertes Bild in Kauf. Kamerabewegungen sollen vielmehr wie oben fokalisierend eingesetzt werden.
Auch in One Week antizipiert die Kamerabewegung ein nur mögliches späteres Bild für einen Gag, als die von Sybil Seely gespielte Figur, Busters Ehefrau in dem Film, ein Bad nimmt. Als ihr die Seife herunterfällt, kann sie diese nicht aufheben, ohne sich zu entblößen, da die Kamera auf sie gerichtet ist. Also kommt eine Hand, offenbar die des Kameramanns, ins Bild und verdeckt sie kurz, bis sie die Seife aufgehoben hat; danach wird das Bild wieder freigegeben.
Als Gegenstück zu diesen Bildern dienen solche, in denen das Framing eine Bildstruktur erzeugen soll, durch Elemente der Bildkomposition wie Vorder- und Hintergrund, Symmetrien, geometrische Formen etc. Statt die Struktur temporär zu vernachlässigen, ist sie festerer Bestandteil einer saubereren Präsentation der Handlung.
Klare Strukturen sind dabei teilweise, wenn auch selten, wichtiger als die Einhaltung der Handlungsachsenkonvention, wie Sequenzen seiner späteren Filme The Balloonatic oder The Love Nest zeigen, sodass Buster sich in letzterem für einige Head-on-Shots und Tail-on-Shots auf der Handlungsachse bewegt, da mit einem Shot-Reverse-Shot-Schema gearbeitet wird.
Oft nutzt Keaton zur Erzeugung klarer Strukturen symmetrisch angeordnete Bilder. Das bekannteste Bild ist womöglich das folgende aus The High Sign. Durch geheime Türen sind die Räume des Hauses, in dem der Mann wohnt, für den Buster als Leibwächter arbeitet, miteinander verbunden, sodass in einem Shot mit geöffneter Wand alle auf einmal gezeigt werden können, was zugleich eine gute Übersicht erzeugt. Dadurch ergeben sich auch an bestimmten Punkten feste wiederkehrende und kurzzeitig vorhersehbare Dynamiken.
Ganz so aufwändig müssen die klar strukturierten Bilder aber nicht immer sein: In The Haunted House stehen vier Personen nebeneinander und bewegen sich dabei fast synchron, als sie versuchen, klebende Geldscheine abzuschütteln.
Manchmal werden dabei Dynamiken im Bild etabliert und mit längerer Dauer präsentiert, wie in einem Shot in Cops, wo eine Leiter als Wippe dient.

Fazit

Die Hauptfunktionen von Framing und Editing in Buster Keatons Kurz- und später Langfilmen sind seinem Stil des Präsenzkinos untergeordnet. Stunts und andere spektakuläre Dinge werden mit einer tendenziell größeren Distanz zwischen der Kamera und den Personen aufgenommen. Die zweitwichtigste Funktion des Framings ist die Fokalisierung, oft zu humoristischen Zwecken. Manchmal werden auch profilmische Trucages eingesetzt, wobei in der Regel in Verbindung mit den darauffolgenden oder vorangehenden Shots eine Erzählung konstruiert wird. In einigen Fällen wird auch durch Kameraeinstellungen eine saubere Bildstruktur erzeugt, wobei dieser Punkt nicht unbedingt spezifisch für Keaton ist, sondern eher in Verbindung mit der ersten genannten Funktion. Spezifisch sind eher die Bildkompositionen selbst. Framings nach Relevanz oder zur Antizipation der Bildentwicklung sind hingegen konventionell, letzteres wird von Keaton in späteren Kurzfilmen, spätestens aber in seinen Langfilmen nur noch genutzt, wenn dadurch kein situativ und temporär unbalanciertes Bild riskiert wird.

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