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Sonntag, 1. Dezember 2024

Knopps Helfer

Zeitzeugen im Fernsehen: Hitlers Helfer

 

Istor Knopp, Historiker, Fernsehmoderator, Provokateur

Das Wort „Zeitzeuge“  ist uns allen bekannt, aber tauchte erst in den siebziger Jahren auf und wurde insbesondere im Folgejahrzehnt populär. Es beschreibt Personen, die vorzugsweise die NS-Geschichte, aber auch andere historische Ereignisse oder Phasen miterlebt haben und dadurch seit der Nachkriegszeit aus eigener Erfahrung über zeitgeschichtliche Themen berichten können, von denen sie persönlich und direkt betroffen waren. So waren viele Zeitzeugen Opfer des Nationalsozialismus, doch außer ihnen treten auch andere Personengruppen, wie z. B. frühere Widerständler, Alliierte oder NS-Funktionäre, als Zeitzeugen auf; außerdem können auch Nachkommen wichtiger Personen als sekundäre Zeitzeugen auftreten.

Anfangs übten sie eine kritische Funktion für das Geschichtsbild der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit aus, als sie individualisiert „Gegengeschichte“ zum gängigen Geschichtsnarrativ erzählten. So halfen sie bei der NS- und insbesondere Holocaustaufarbeitung, wodurch sie dafür sorgten, dass dieses Kapitel deutscher Geschichte aus Opferperspektive medial aufgegriffen wurde und das öffentliche Bild prägte. Dadurch blieb ihnen seither wiederum bloß eine affirmative Funktion, in denen das so konstruierte Geschichtsbild nur noch bestätigt wurde.

Zeitzeugen sind medial verfasst. Ihre Zeugenschaft wird in diversen Medien festgehalten, u. a. im Fernsehen. Dort traten Zeitzeugen erstmals in der Show „This is your life“ in Erscheinung, wurden beim Eichmann-Prozess in alle Welt übertragen und ab den achtziger Jahren in unter Leitung Guido Knopps entstandenen Dokumentationen im ZDF ausgestrahlt. Knopps dokumentarischen Formate der Redaktion für Zeitgeschichte erreichten nicht nur hohe Quoten zur Primetime, sondern ernteten auch harte Kritik. Diese gilt dabei nicht nur den Sendungen per se, sondern auch ihrem Umgang mit Zeitzeugen: Wulf Kansteiner erkennt „ein durchweg autoritäres Verhältnis zwischen Kommentar und Zeugenaussage. Der Sprecher machte die Kernaussagen, die der Zeuge dann  bestätigte.“

Demnach kämen die Zeitzeugen in den Sendungen nur ihrer affirmativen Aufgabe nach. Die Frage, ob oder inwieweit dies stimmt, wird diesem Blogeintrag zugrunde liegen: Welche narrativen Funktionen haben die Zeitzeugen in den Knopp‘schen Geschichtsdokumentationen des ZDF Ende der neunziger Jahre? Um das zu untersuchen, werden wir uns an der zweiten Episode Mengele – Der Todesarzt der zweiten Staffel der Serie Hitlers Helfer orientieren. Sie bietet einerseits ein zu einem gewissen Grad austauschbares Beispiel, andererseits kommen in der Sendung von 1998, als sich das Geschichtsfernsehen als Primetime-Format etabliert hat, einige typische Narrative besonders anschaulich zum Vorschein.

Die Untersuchung der Dokumentationen ist außerdem sinnvoll, weil sie laut Frank Bösch „vorzügliche Quellen für die Geschichtskultur der Zeit“ bieten. Schließlich spielen Massenmedien nicht nur eine tragende Rolle bei der Verbreitung eines im kollektiven Gedächtnis festgehaltenen Geschichtsbildes, sondern konstruieren dieses auch mit. Deswegen sind die Sendungen auch mit Blick auf ihr Geschichtsbild von historischem Interesse. Doch nicht nur, was sie über Geschichte sagen, sondern auch wie, bedarf einer genauen, medienwissenschaftlichen Untersuchung. Und diese folgt nun:

Sonntag, 3. November 2024

Gibt es Leben auf dem Mond? Auf dem Mars? Im Weltall? Eine Historiographie

 

Die Entdeckung von Argumentation

Gibt es Leben außerhalb der Erde? Mit der Frage haben sich Autoren schon seit Jahrhunderten beschäftigt, von Kant und Voltaire bishin zu John Wilkins.

Von England auf den Mond

John Wilkins wurde 1614 in Northamptonshire geboren und starb am 19. November 1672 in London. Er war Akademiker, Theologe und Naturwissenschaftler. Als Sohn eines Goldschmieds schlug er eine geistliche Karrierelaufbahn ein. So studierte er unter dem Baptisten John Tombe, wurde später Vikar in Fawlsley, wechselte danach zwischen verschiedenen Positionen an verschiedenen Orten und wurde schließlich u.a. auch Bischof in Chester.

Trotz politischer Unruhen in seiner Zeit (Englischer Bürgerkrieg) gelang es Wilkins, seine hohe gesellschaftliche Stellung zu halten. „It was not an easy time for an active man to retain influence and office, but Wilkins managed to his habit of prudence and a spirit of moderation and tolerance.”

Der Republikaner und spätere Lord Protector Oliver Cromwell setzte sich in ebenjenem Bürgerkrieg gegen die Royalisten durch und regierte nach der Hinrichtung Karls I. bis zu seinem Tod, woraufhin die Monarchie unter Karl II., Sohn Karls I., restauriert wurde. Sowohl zu Cromwell als auch zu Karl II. hatte Wilkins gute Beziehungen.

Später war er Gründungsmitglied und erster Generalsekretär der am 15. Juli 1660 in London gegründeten nationalen naturwissenschaftlichen Akademie des Vereinten Königreichs, der Royal Society. Wilkins gilt als ein Repräsentant seiner Zeit:

The new science had triumphed, and the liberal Anglican theology known as latitudinarianism was, thanks to him, on the rise under such men as John Tillotson, Edward Stillingfleet, and Simon Patrick.

Außer The discovery of a world in the moone gehören A discourse concerning a new planet (1640), Mercury (1641) oder auch Mathematical Magick (1648) zu Wilkins’ Schriften. Die Themenbereiche, mit denen er sich beschäftigte, sind breit gefächert und vielfältig.

 


Wilkins’ Entdeckung: Leben auf dem Mond

The discovery of a world in the moone, or, a discourse tending to prove that ’tis probable there may be another habitable world in that planet von John Wilkins erschien 1638 in London. Es geht um die Beschaffenheit einer Welt im Mond und um seine Bewohnbarkeit.

Sonntag, 6. Oktober 2024

Ein Eisenbahnpionier als tragische Figur

 

Friedrich List –  Der Eisenbahnpionier

Friedrich List als tragische Figur?

Spricht man von Friedrich List, liegt es nahe, ihn analog zu einer fiktiven Figur zu beschreiben. Manche bezeichnen ihn als „tragische Figur“. Sein Lebenslauf sei „ziemlich dramatisch.“ Und wie eine fiktive Figur lässt List sich auch charakterisieren. List sei ein  „Menschenfänger“ gewesen, jemand mit Charisma. Man könne auf ihn treffen, während er noch im Bett liegt, ganz unkonventionell, und demungeachtet ein Gespräch mit ihm führen, als seien die Umstände dieses Gesprächs ganz gewöhnliche, wie bei Columbo, das heißt einer fiktionalen Figur.

 

Columbo seiner Zeit

Dieser Vergleich wurde noch verstärkt, als auf die Zigarren verwiesen wurde, und die List auch beim Besuch des Fürsten von Wallenstein rauchte, obwohl dies offenbar höchst ungewöhnlich gewirkt haben muss; andernfalls hätte der Verfasser dieses Berichts, Friedrich Bodenstedt, sich nicht vorher von der seinigen Zigarre getrennt und auch nicht hartnäckig abgelehnt, den Besuch in unpassender Bekleidung durchzuführen. Auch Sätze wie: „Ach so! das hätt‘ ich beinah vergessen“, könnten von dem einen wie dem anderen stammen, in dem Fall stammt der Satz von List.

Abgesehen von diesem sehr direkten Vergleich mit einer konkreten fiktionalen Figur wird List auch manchmal mit Charakteren aus Romanen verglichen, wobei der Vergleich allgemein gemeint war und kein konkretes Bezugswerk genannt wird. Bezüglich seines Endes tauchte ein Vergleich zum Bühnenstück auf, der sich dem Klischee bediente, im Trauerspiel und in der Tragödie sterbe der Protagonist am Ende immer auf eine „dramatische“ Weise, wie durch einen Selbstmord unter solch makaberen Umständen wie List, wo sich der Mann, der später Suizid begehen wird, kurz davor noch beim Büchsenmacher nach der Funktionsfähigkeit seiner Waffe erkundigt.

 

List als Büchner’scher Held

Am Interessantesten ist dabei jedoch, dass in Lists Zeit (1789-1846) auch das nur 23½  Jahre lange Leben Georg Büchners fällt (1813-1837). Büchner war Schriftsteller, u.a. Dramatiker, bekannt für Dantons Tod, Woyzeck und natürlich Lenz. Außerdem stammen auch politisch revolutionäre Schriften von Büchner. Er war Realist und polemisierte Tendenzen zur Idealisierung in der Kunst. Hier sei kurz angemerkt, wie auch die Literatur über List, etwa von Schücking, immer wieder realistische Bestrebungen aufwies und List hier als jemand mit Stärken und Schwächen dargestellt wird.  

Büchners Protagonisten stoßen in der Gesellschaft, die sie mit hervorgebracht hat, an ihre Grenzen. Sie sind keine archetypischen Helden, sondern können auch lasterhafte Personen (wie Danton) oder kleinere Bürger sein (wie Woyzeck). Am Stärksten fallen aber Parallelen zu Lenz auf.  Während List gegen Ende seines Lebens Symptome manischer Depression aufwies, wie aus verschiedenen Berichten hervorgeht, litt Lenz bei Büchner (und auch der reale Jakob Michael Reinhold Lenz) an Schizophrenie. Beide sind keine Gewinnertypen, sondern erfolglos. Lenz stand im Schatten größerer Zeitgenossen der Weimarer Klassik, List wurde zwar angesehen (vor allem in den USA), aber konnte sich von seinem Ruhm (in Deutschland) nichts kaufen – platt ausgedrückt. So wurde ihm immer wieder seine Haft in der Festung Hohenasperg zum Stolperstein und die Kleinstaaterei sowie die Haltung seiner Zeitgenossen hemmten seine Erfolgsmöglichkeiten.

 

Dramatische Rezeption Lists

Man kann also durchaus die reale historische Person List in einer dramatisierten Form sehen bzw. sehen wollen. Daher ließe sich die Frage, ob Friedrich List, betrachtet man ihn als fiktionale Figur und stattet ihn mit Charakteristika aus, die über den realen List in Berichten oder Ähnlichem festgehalten wurden, eine dramatische Figur bilden könnte, durchaus affirmativ beantworten. Durch die Popularität des historischen Friedrich List, die ich ihm zugestehen würde – er ist schließlich auch ein Thema im Schulunterricht und wird auch heute in ökonomischen Debatten gern noch herangezogen, um die Position des jeweiligen Autors zu untermauern – und die Popularität von Historienstoffen im Fernsehspiel oder von Historytainment in Verbindung mit der gerade festgestellten Möglichkeit, Friedrich Lists Lebensverlauf mit der dramatischen Entwicklung einer Geschichte über eine fiktionale Figur zu vergleichen, könnte auch geschlussfolgert werden, dass es einige solcher Werke über List bereits gibt. 

List könnte demnach eine Hauptrolle oder eine charismatische Nebenrolle in einem für das Kino oder das Fernsehen produzierten Historienfilm, einer Fernsehdokumentation oder ebenjenem Historytainment sein.  Dem ist allerdings nicht so.  In der IMDb ist kein Charakter des Namens Friedrich List verzeichnet, obschon sich dort für viele aktuellen Film- und Fernsehproduktionen Daten abrufen lassen.  Auf der Seite der deutschsprachigen OFDb dasselbe. Auch Filme über ihn findet man dort nicht und auch andernorts kaum. Zu bekannteren Persönlichkeiten der Geschichte findet sich dabei üblicherweise immer eine gewisse Anzahl von Werken.

Einzig auf YouTube findet sich eine Dokumentation unter dem Titel Friedrich List –  Der Eisenbahnpionier, oder Der Eisenbahnpionier Friedrich List; ganz klar wird das nicht, da sich im Internet keine Informationen zu dem Film finden lassen.  Zunächst wird Lists Name in Schreibschrift, dann die Bezeichnung in Druckschrift darüber eingeblendet.

In der Tat hätte ich lieber Lists Darstellung in einem bekannteren Werk untersucht; notfalls auch in Historytainment-Formaten à la Die Deutschen, vielleicht zu einem Friedrich-List-Auftritt in einem (Fernseh-)Film; um Lists Darstellung in einem exemplarischen dramatischen Werk zu betrachten, bietet sich aber leider bis auf diesen 30-minütigen Dokumentarfilm des MDR nicht wirklich etwas an. Das YouTube-Video trägt darüber hinaus einen anderen Namen als der Dokumentarfilm und in der Mediathek des MDR, dessen Logo das Bild in der Ecke ziert, findet sich ebenfalls nichts dazu. Auch ein Abspann ist am Ende des Videos nicht zu finden; wahrscheinlich, weil es sich um eine Produktion fürs Fernsehen handelt.

Regisseur ist Roland May, wie aus dem Vorspann, bestehend aus dem Titel des Films und dem Text „ein Film von…“, hervorgeht. Zur Entstehungszeit können nur Vermutungen angestellt werden; der Upload auf YouTube erfolgte am 05.05.2016 und das Fernsehsenderlogo zeigt an, dass es sich um ein High-Definition-Programm handelt, was den Zeitpunkt der Ausstrahlung zumindest auf die Zeitspanne zwischen den frühen 2010ern (seit Ende 2009 sendet die ARD in HD, anschließend nach und nach auch die dritten Programme) und dem Zeitpunkt des Uploads eingrenzt.

Bevor ich weiterhin meine qualifizierten Spekulationen einbringen müsste, etwa, was die Dauer der Doku über ihren Programmplatz aussagen könnte, wandte ich mich an den MDR. Auf meine Nachfrage beim MDR-Publikumsservice hin erhielt ich die Informationen, dass das Programm am Sonntag, den 6. April 2014 um 22:55 Uhr als Teil der Reihe „175 Jahre Ferneisenbahn Leipzig – Dresden“ unter dem o. g. Titel ausgestrahlt worden ist. „Immerhin“ zeigte der MDR die Doku also am Wochenende im spätabendlichen Programm und nicht etwa mittags oder spätnachts. Doch was kann die Doku?

Sonntag, 8. September 2024

Mit zerknittertem Regenmantel im kybernetischen Institut

 

Inszenierung von Kybernetik in Columbo: Mind over Mayhem

 

“Television in the 1960s, just as stories by Dostoevsky and G.K. Chesterton, illustrated that ‘crime and mystery fiction responded to contemporary social developments but merged with ancient patterns of Western literature.’“

 


Eine große Zahl fiktionaler Werke, insbesondere der sechziger und siebziger Jahre, ist anscheinend durch kybernetische Forschungen und deren mögliche bis utopische Anwendbarkeit in der Praxis inspiriert. Bereits Jahre vor Cybersyn wurde in Star Trek das Raumschiff Enterprise vom Computer M5 gesteuert (Star Trek S02E24) oder zwischen verfeindeten Planeten ein Krieg über Computer simuliert ausgetragen, dessen Simulation aber reale Folgen für die Bewohner bedeutete (Star Trek S01E23). Aber nicht nur utopische Ideen, die durch die Kybernetik inspiriert wurden, in Science-Fiction ist interessant, sondern vor allem die Rezeption in realistischeren Serien.

Nachdem die Schöpfer von Porfiry Petrovich und Father Brown genannt wurden, wird es hier folgerichtig um deren geistigen Nachfolger Columbo gehen. In der Episode Mind over Mayhem (S03E06) ermittelt Lt. Columbo an einem kybernetischen Institut. Wie wird Kybernetik also abseits der Utopie in einer ‚realistischen‘ Serie inszeniert?

Sonntag, 4. August 2024

Zäsur oder Nicht-Zäsur, das ist hier die Frage

 

Zäsur im Kolonialrausch?

Das deutsche Engagement in Afrika begann schon lange vor der staatlichen Kolonialisierung. Seit den 1830er Jahren überzogen die hanseatische Handelshäuser zunächst ganz Südamerika, dann die Küsten Asiens und Afrikas mit einem Netz von Handelsniederlassungen und Konsulaten – 1846 bereits 162 an der Zahl. In diesen Gebieten waren außerdem auch deutsche Missionare tätig.

Durch den einsetzenden Versuch der  Etablierung des ‚Schutzbriefsystems‘ begann der Staat ab 1884 direkte imperialistische Bestrebungen. Um den regelrechten „Wettlauf“ zwischen Engländern und Deutschen um die Kolonialhoheit südlich des Nigerdeltas zu gewinnen, wurde an Handelshäuser ein Schutzbrief ausgestellt, der ihnen zusätzlich zum gewährten ‚Reichsschutz‘ die Ausübung hoheitlicher Rechte erlaubte. Danach stellte Reichskommissar Gustav Nachtigal ihren Besitz unter ‚Reichsschutz‘, bevor auf der ‚Kongo-Konferenz‘ 1884-1885 die Herrschaftsform festgelegt und die Gebiete von den von Franzosen und Engländern okkupierten Gebieten abgegrenzt wurde.

Daher könnte angenommen werden, dass die die ersten Schutzbriefausstellungen 1884 eine Zäsur in der deutschen Kolonialgeschichte darstellen, da sich demnach ein Wandel von der privaten Verwaltung der Gebiete freihändlerisch erschlossener Handelsniederlassungen in Afrika zur politischen Verwaltung dieser Gebiete durch das Kaiserreich vollzöge.

Andererseits kann die Frage, inwiefern seine Ausstellung nicht bloß notwendig geworden war, gestellt werden. Somit sei der Schritt über diese Schwelle nur ein kleiner, was die Bedeutung der tatsächlichen Ausstellung des ersten Schutzbriefes relativieren würde. Schließlich handelt es sich dabei um einen Teil eines Prozesses, da es sich dabei um eine Reaktion auf vorherige Ereignisse handelt und andere, darunter auch wichtige, wiederum darauf folgen.

Hat also 1884, auf dem Höhepunkt des Kolonialrausch, tatsächlich ein „Kurswandel“ stattgefunden? Und kann der Umbruch 1884/85 als Zäsur in die Geschichte der deutschen Kolonialpolitik eingehen? 

Doch was bedeutet Zäsur überhaupt?

Sonntag, 7. Juli 2024

Analyze this? Okay:

 

Regisseur (links) lobt seinen Drehbuchautor (rechts) für das gelungene Drehbuch.

Sigmund Freud war deutlich weniger vom Kino begeistert als das Kino von Freud. Durch eine zur Haltung Freuds gegensätzliche Strömung innerhalb der Psychoanalytikerkreise wurde allerdings eine Art der Gegenseitigkeit erzeugt. Das Kino war für die Psychoanalyse interessant und vice versa.

In Kino wurde das Thema Psychoanalyse aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet: Mal war der Patient die Hauptfigur, mal der Therapeut. Dabei bildeten sich narrative Motive, Muster und dramaturgische Strukturen heraus, die den Filmen zu ihrer bestmöglichen Entfaltung helfen sollten, denen sich die Werke immer wieder bedienten; so kann auch von einem eigenen Genre die Rede sein.

Dass festgefahrene Muster fruchtbaren Nährboden für Parodien bieten, liegt auf der Hand. Da sich an der Parodie durch das dialektische Verhältnis von Parodie und Parodiertem derartige Elemente besonders stak erkennen lassen, da sie sie einerseits selbst für die parodistische Erzählung nutzt, andererseits dabei gleichzeitig Kritik an ihnen übt, sollen in diesem Blogbeitrag ebensolche Elemente in der Komödie Analyze This (Reine Nervensache, USA 1999) unter der Fragestellung, wie die beiden parodierten Genres parodiert werden, analysiert werden. Der Fokus wird dabei auf dem psychoanalytischen Film liegen, da es den zu weit führen würde, das Gangsterfilmgenre genauso stark zu beleuchten.

Sonntag, 2. Juni 2024

Der Zorn des KHAAAN und seine Paratexte

 Möglichkeiten der dramaturgischen Wirkung von Paratexten

Auf der Leinwand, aber nicht in der Handlung

Als 2013 Star Trek Into Darkness in den Kinos startete, wussten viele bereits im Vorfeld, wer sich hinter dem für die von Benedict Cumberbatch gespielte Rolle bekanntgegebenen Namen John Harrison tatsächlich verbergen würde. Zwar sollten sich die Paratexte des Films diesbezüglich ebenfalls in Geheimhaltung üben, doch hieß John Harrison tatsächlich Khan– ein  ikonischer Name eines Bösewichts im Star-Trek-Universum, seit Ricardo Montalbán für den Kinofilm Star Trek II: The Wrath of Khan von 1982 seine Rolle aus der Episode Space Seed (Der schlafende Tiger, S1E22) der TV-Serie Star Trek (Raumschiff Enterprise), an deren Geschichte Produzent Harve Bennett mit dem zweiten Kinofilm der Reihe anknüpfen wollte, wieder aufnahm. Im Gegensatz zur Neuauflage der Rolle im Film von 2013, der sich lose an den früheren Geschichten um Khan, dessen Name in der Diegese erst nach einer gewissen Zeit verraten wurde, orientiert, wurde dem Publikum 1982 der bereits im Titel genannte Name des Gegenspielers in keinster Weise verheimlicht.

Da jeder Paratext eines Films dramaturgische Konsequenzen hat, beginnt die Inszenierung von Figuren im fiktionalen Film bereits außerhalb der Diegese. Aber wie wird Khans Name im Filmtitel sowie Vor- und Abspann von Star Trek II: The Wrath of Khan genannt, und was ergibt sich daraus für die Inszenierung der Figur außerhalb der Diegese?

 

Sonntag, 5. Mai 2024

A Cinematographic Turn of Mind

„I always had a cinematographic turn of mind. ... I wrote, I shot, I directed, I learned my trade”, so der französische Filmemacher und Karikaturist Émile Cohl. 


Cohls Filme denken in Bewegungen, in einer zeitlichen Dimension, deren Ästhetik im Gegensatz zu seinen Zeichnungen für Printmedien das Fehlen von Unterbrechungen ermöglicht. Man sieht einer Hand beim Zeichnen zu, dann verändern die weißen Linien auf schwarzem Untergrund ihre Form, bewegen sich und  setzen sich zu etwas Neuem zusammen. Eine Flasche wird zu einer Blume wird zu einem Elefanten. In den Zeichnungen Cohls wäre das alles recht witzlos. Im Film funktioniert es. Ein anderes Medium würde die Wirkung nicht ermöglichen. Die Geschichten wurden gemacht, um genau in diesem Medium erzählt werden zu können.