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Freitag, 29. Dezember 2023

Die Mafiakönigin des Rotlichtviertels

 

Gangubai Kathiawadi

 

 
 
Indien in den 1950er Jahren: Die junge Ganga brennt mit ihrem Freund durch, der ihr eine Karriere als Schauspielerin verspricht, sie aber stattdessen an ein Bordell verkauft. Jetzt könnte man erwarten, dass der Film porträtiert, wie schlimm das Leben im Bordell und wie traurig das Dasein als Prostituierte ist. Das tut der Film auch, aber dabei belässt der Film es nicht:

Nachdem Ganga das erste Mal vergewaltigt wird, nennt ihr Freier sie versehentlich Gangu. Unter diesem Namen erschafft sich Ganga ein Alter Ego, an dem alles abprallt, was Ganga verletzen könnte. So nimmt Gangu es mit der Bordellbesitzerin auf, der ihre neue Konkurrentin unliebsam wird.

Um Gangu in ihre Schranken zu weisen, lässt sie sie von einem Freier misshandeln. Doch Gangu lässt das nicht auf sich sitzen und wendet sich an den Unterwelt-Boss Rahim. Rahim lässt sich auf eine Kooperation mit Gangu ein und rächt sie. Wenn man gemäß westlichen Sehgewohnheiten nun denkt, der Deal mit der Mafia würde ihr irgendwann um die Ohren fliegen, irrt man sich.

Als die Besitzerin des Bordells stirbt, übernimmt Ganga den Posten. Sie wird zu Gangubai, die im Viertel immer mehr Einfluss erhält. Sie verbündet sich mit Rahim und erhält Anteile am verbotenen Handel mit Alkohol. Dazu setzt sie sich dafür ein, die Lebensqualität ihrer Prostituierten zu verbessern. So steigt sie bald zu einer der wichtigsten Personen im Rotlichtviertel auf. Um ihre Popularität auszuweiten, tritt sie gegen Raziabai bei den Wahlen zur Präsidentin von Kamathipura an, und nach einem harten Kampf gelingt es ihr, Raziabai zu besiegen.

Als Präsidentin erhebt sie ihre Stimme für die Rechte der Sexarbeiterinnen und ihrer Kinder. Ihr Kampf führt sie bis zu Jawaharlal Nehru, dem ersten Premierminister des unabhängigen Indien, wo sie ihr Anliegen vorträgt, und zum Gipfel für Frauenrechte, wo die rhetorisch begabte Gangubai eine Rede hält.

Bei all dem „beruflichen Erfolg“ muss Ganga allerdings auch Opfer bringen. Als sich ein junger Mann in sie verliebt, lässt sie sich nicht auf ihn ein, sondern drängt ihn zu einer Zweckhochzeit mit dem Kind einer Prostituierten, wodurch sich deren Leben verbessert. Ihre Liebe zueinander wird in diesem Melodram unerfüllt bleiben.

Ganz und gar nicht melodramatisch ist ihr Telefonat mit ihrer Mutter. Nach Jahren ohne Kontakt zueinander sprechen sie auf dem Höhepunkt des Films kurz am Telefon miteinander. Das Gespräch verläuft kühl und kurzweilig. Wer das indische Kino kennt, weiß von den nie vergebenden indischen Eltern, doch die Szene so zu behandeln zeigt trotzdem eine hohe Menschenkenntnis der Filmemacher.

Die melodramatische Musical-Biographie ist sehenswert, auch weil die Choreographien der selten eingesetzten Gesangsnummern absolut gelungen sind. Die folgende Szene lässt sich auch stumm ansehen und man erkennt trotzdem die Wünsche der Figuren und ihre Entscheidungen. Und wer noch keinen Fußfetisch hat, wird einen bekommen.

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JH

 


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