Königin
Lear
(Schauspiel Frankfurt)
Die Rezeption des Börsencrashs
2008 in Literatur, Spiel-, Dokumentarfilmen u.v.m. findet nun den Weg ins
Theater, genauer gesagt in ein Theaterstück von William Shakespeare. Idee: Lear
ist eine Unternehmerin und ihr Reich ein globales Firmenimperium. Unter Regie
des Dortmunder Intendanten K. Voges auf die Bühne gekommen, werden einige
Details aus T. Lanoyes Vorlage ausgelassen. Interessant ist neben dem
Bühnenbild die Verwendung einiger filmischer Elemente. Bevor das Licht im
Zuschauerraum erlischt, hört man ein Brummen, während eine Kamerafahrt
Aufnahmen von Bürotürmen zeigt – willkommen in Ma(i)nhattan.
Natürlich kann ein Remake
auch interessante neue Perspektiven eröffnen, wie hier etwa diedemente
Mutter, um die sich die Söhne nicht mehr kümmern wollen - bis auf den
Verstoßenen. Ein Remake hat aber auch das Problem,
in Konkurrenz zum Original zu stehen. Daher können Remakes unbekannter Stoffe
und Umwandlungen dieser auch in andere Medien interessante neue Werke
hervorbringen. Ein Theaterstück von Shakespeare zählt hingegen grundsätzlich zu
den Werken, an denen kein Verbesserungspotenzial besteht – Hitchcock beschrieb
solche Kunstwerke (am Beispiel des Romans Schuld
und Sühne) als in seinem Medium formvollendet. Dennoch sieht Lanoye (bekannt
durch das Shakespeare-Crossover Schlachten!)
offenbar genug Gründe, König Lear
umzuschreiben. Dabei wird der Stoff in eine moderne Welt getragen und
Geschlechter umgewandelt, womit zu Remakeproblemen auch noch
Modernisierungsprobleme stoßen.
Modernisierende Veränderungen in
Remakes klingen häufig banalisiert nach platten Aussagen. Heute ist es nicht
ein Königreich, das an der Eitelkeit des Herrschers leiden wird, sondern ein
großes Unternehmen mit internationalen Zweigen. Was früher Könige waren, sind
heute die Konzernchefs (so sagt es schließlich schon der Titel).. Der Krieg
findet nicht auf dem Schlachtfeld statt, sondern in der Börse. War Cordelia
eine Enterbte, die sich durch ihre Hochzeit mit dem französischen König von
Lear emanzipierte, möchte Cornald mit der Gründung eines eigenen Betriebs auf
eigenen Füßen stehen.
Im Dialog findet sich eine
Mischung aus Shakespeare-Zitaten, mal raue (manchmal gekünstelt), mal gehoben poetische Sprache (ebenfalls manchmal
gekünstelt) und natürlich ökonomisches Fachvokabular, das einen Kontrast zu den
Beweggründen der Figuren bildet. „Gefühle“, so die Königin, „spielen keine Rolle.“ Sie fühlt sich in ihrem Stolz
gekränkt, wenn ihr kein Honig ums Maul geschmiert wird; die Söhne streiten sich
mehr aus ihrem Ego als aus Entscheidungen, die besondere fachliche Kompetenz
erfordern.
Lose an König Lear orientiert, kann das Stück eigentlich nicht
langweilig werden; außer es langweilt, wenn Königin
Lear sich damit selbst beschneidet. Die dramatische Kraft eines König Lear wird natürlich nie erreicht
werden, wenn die Dominanzstruktur zwischen König und Nachfahren abgeändert
wird, das Original niemals abwesend sein kann und das Remake in seinem
dramatischen Spielraum einengt. Das Stück wird durch sein Gespür für
auflockernde Situationskomik immerhin sympathischer.
JAH
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